Aus dem Schattenreich
Kommentar
Wer ein Auge für sie hat, der kann sie nicht selten bemerken. Auf den ersten Blick sehen die Toten aus wie normale Leute, aber wenn man sie genauer anschaut, verwischen sich ihre Gesichter oder flackern ein wenig an den Rändern. Auch sind sie meist um eine Spanne kleiner, als sie zu Lebzeiten waren, denn die Erfahrung des Todes verkürzt uns, gerade so wie ein Stück Leinwand eingeht, wenn man es zum ersten Mal wäscht. Fast immer gehen die Toten alleine, doch gehen sie auch in Banden und Gruppen und kommen manchmal in Schwadronen und regelrechten Regimentern hinter einer Fahne her die Straße herauf. Hastig schreiten sie dahin, leicht vornübergebeugt und mit ihren Fistelstimmen untereinander redend. In bunten Uniformröcke oder in graue Umhänge gehüllt hat man sie schon gesehen, wie sie zwischen den Feldmauern, die sie nur knapp überragten, mit leisem Rühren der Trommel hinaufmarschierten in die Hügel über dem Ort. Zahlreich sind die Geschichten von ihrem Erscheinen beziehungsweise von den Mitteln, derer sie sich bedienen, um ihre Gegenwart anzuzeigen, fahle Lichter über einem Haus, in dem dann bald einer starb, ein zur Unzeit heulender Hund, ein quietschender Karren, der nach Mitternacht anhielt vor dem Tor. Etwas Besonderes aber hat es mit den Totengräbern auf sich. Zwanzig kleine Totengräber, keiner größer als ein durchschnittlicher Tannenzapfen, offenbar weder zu den Toten noch zu den Lebenden zu rechnen bilden sie eine selbstständige Gruppe. Sie haben eine Holzbaracke im Bergwald, dort ruhen sie von ihrer schweren Arbeit aus. Es ist dort viel Rauch, Geschrei und Gesang, wie es eben ist, wenn zwanzig Arbeiter beisammen sind. Wie fröhlich diese Leute sind! Niemand bezahlt sie, niemand rüstet sie aus, niemand hat ihnen einen Auftrag gegeben. Auf eigene Faust haben sie sich ihre Arbeit erwählt, auf eigene Faust führen sie sie aus. Es gibt noch Mannesgeist in unserer Zeit. Nicht jeden würde ihre Arbeit befriedigen, vielleicht befriedigt sie auch diese Leute nicht ganz, aber sie lassen nicht ab vom einmal gefaßten Entschluß, sie sind ja gewöhnt die schwersten Lasten durch das dichteste Gebüsch zu zerren. Von Morgen bis Mitternacht dauert der Festlärm. Die einen erzählen, die andern singen, es gibt auch welche die stumm die Pfeife rauchen, alle aber helfen der großen Schnapsflasche den Tisch umwandern. Um Mitternacht erhebt sich der Führer und schlägt auf den Tisch, die Männer nehmen ihre Mützen vom Nagel; Seile, Schaufeln und Hacken aus der Ecke, sie ordnen sich zum Zuge, immer zwei und zwei.
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Wer ein Auge für sie hat, der kann sie nicht selten bemerken. Auf den ersten Blick sehen die Toten aus wie normale Leute, aber wenn man sie genauer anschaut, verwischen sich ihre Gesichter oder flackern ein wenig an den Rändern. Auch sind sie meist um eine Spanne kleiner, als sie zu Lebzeiten waren, denn die Erfahrung des Todes verkürzt uns, gerade so wie ein Stück Leinwand eingeht, wenn man es zum ersten Mal wäscht. Fast immer gehen die Toten alleine, doch gehen sie auch in Banden und Gruppen und kommen manchmal in Schwadronen und regelrechten Regimentern hinter einer Fahne her die Straße herauf. Hastig schreiten sie dahin, leicht vornübergebeugt und mit ihren Fistelstimmen untereinander redend. In bunten Uniformröcke oder in graue Umhänge gehüllt hat man sie schon gesehen, wie sie zwischen den Feldmauern, die sie nur knapp überragten, mit leisem Rühren der Trommel hinaufmarschierten in die Hügel über dem Ort. Zahlreich sind die Geschichten von ihrem Erscheinen beziehungsweise von den Mitteln, derer sie sich bedienen, um ihre Gegenwart anzuzeigen, fahle Lichter über einem Haus, in dem dann bald einer starb, ein zur Unzeit heulender Hund, ein quietschender Karren, der nach Mitternacht anhielt vor dem Tor. Etwas Besonderes aber hat es mit den Totengräbern auf sich. Zwanzig kleine Totengräber, keiner größer als ein durchschnittlicher Tannenzapfen, offenbar weder zu den Toten noch zu den Lebenden zu rechnen bilden sie eine selbstständige Gruppe. Sie haben eine Holzbaracke im Bergwald, dort ruhen sie von ihrer schweren Arbeit aus. Es ist dort viel Rauch, Geschrei und Gesang, wie es eben ist, wenn zwanzig Arbeiter beisammen sind. Wie fröhlich diese Leute sind! Niemand bezahlt sie, niemand rüstet sie aus, niemand hat ihnen einen Auftrag gegeben. Auf eigene Faust haben sie sich ihre Arbeit erwählt, auf eigene Faust führen sie sie aus. Es gibt noch Mannesgeist in unserer Zeit. Nicht jeden würde ihre Arbeit befriedigen, vielleicht befriedigt sie auch diese Leute nicht ganz, aber sie lassen nicht ab vom einmal gefaßten Entschluß, sie sind ja gewöhnt die schwersten Lasten durch das dichteste Gebüsch zu zerren. Von Morgen bis Mitternacht dauert der Festlärm. Die einen erzählen, die andern singen, es gibt auch welche die stumm die Pfeife rauchen, alle aber helfen der großen Schnapsflasche den Tisch umwandern. Um Mitternacht erhebt sich der Führer und schlägt auf den Tisch, die Männer nehmen ihre Mützen vom Nagel; Seile, Schaufeln und Hacken aus der Ecke, sie ordnen sich zum Zuge, immer zwei und zwei.
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