Mittwoch, 27. April 2011

Herbstwind

Aus dem Schattenreich
Kommentar
Ein Abend im Herbst, klar und kühl. Irgendjemand, es ist Selysses, undeutlich in Bewegungen, Kleidung und Umriß, tritt aus dem Haus und will gleich rechts abbiegen. Die Hausmeisterin in einem alten weiten Damenmantel steht an eine Säule des Tores gelehnt und flüstert ihm etwas zu. Er überlegt einen Augenblick, schüttelt dann aber den Kopf und geht. Ein starker Wind erhebt sich, und er muß einhalten um hinschauen zu können, wie die Menschen sich in seltsamer Neigung über den Platz bewegen, als stürze ein jeder von ihnen seinem Ende entgegen. Laufet eilends vor dem Wind, geht es ihm durch den Kopf. Beim Überschreiten der Fahrbahn kommt er aus Unachtsamkeit der Elektrischen in den Weg und sie durchfährt ihn. Im Schmerz zieht er sein Gesicht klein zusammen und spannt alle Muskeln so, daß er, nachdem die Elektrische vorüber ist, die Spannung kaum wieder lösen kann. Er steht noch ein Weilchen still und sieht wie bei der nächsten Haltestelle ein Mädchen aussteigt, mit der Hand zurückwinkt, paar Schritte zurückzulaufen beginnt, stockt und wieder in die Elektrische einsteigt. Als er an einer Kirche vorübergeht, steht oben auf der Freitreppe ein Geistlicher, streckt ihm die Hand entgegen und beugt sich soweit vor, daß fast die Gefahr des Nachvornüberfallens besteht. Er aber erfaßt die Hand nicht, er ist ein Gegner der Missionäre, auch ärgern ihn die Kinder, die sich auf der Treppe wie auf einem Spielplatz herumtreiben und unanständige Redensarten einander zurufen, die sie natürlich nicht verstehen können und an denen sie nur saugen, da sie nichts Besseres haben – er knöpft seinen Rock hoch zu und geht weiter. Als drohendes Sinnbild des in ihm um sich greifenden Dunkels steht im Westen eine ungeheure Wolkenwand, die bereits den halben Himmel einnimmt und ihren Schatten breitet über das anscheinend endlose Häusermeer.

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