Freitag, 1. April 2011

Mein Onkel

Aus dem Schattenreich
Kommentar
Nun also? Sagte er, sah mich lächelnd an und rückte an seiner Krawatte. Ich konnte den Blick aushalten, wandte mich dann aber aus freiem Willen ein wenig zur Seite und schaute in die Tischfläche mit immer angestrengteren Augen, als öffne und vertiefe sich dort eine Höhlung und ziehe den Blick hinab. Dabei sagte ich: Sie wollen mich prüfen, haben aber doch keine Berechtigung hiezu nachgewiesen. Nun lachte er laut: Meine Berechtigung ist meine Existenz, meine Berechtigung ist mein Dasitzen, meine Berechtigung ist meine Frage, meine Berechtigung, daß Sie mich verstehn. Wohl, sagte ich, nehmen wir an es sei so. Dann werde ich Sie also prüfen, sagte er, nur ersuche ich Sie mit ihrem Sessel ein wenig zurückzugehn, Sie beengen mich hier. Auch bitte ich nicht abwärts zu schauen, sondern mir in die Augen. Vielleicht ist es mir wichtiger Sie zusehn, als Ihre Antworten zu hören. Als ich ihm entsprochen hatte, begann er: Wer bin ich? Mein Prüfer, sagte ich. Gewiß, sagte er, was bin ich noch? Mein Onkel, sagte ich. Ihr Onkel, rief er, was für eine tolle Antwort. Mein Onkel, sagte ich bekräftigend. Nichts Besseres. Er lachte laut auf, und erst jetzt wurde mir klar, daß es der alte Seckler selbst war und ich mich wohl um alle guten Aussichten gebracht hatte. Der Seckler aber, nachdem er eine Weile schweigend dagesessen hatte, lachte laut auf, und bereits am nächsten Tag bin ich an der Werkbank gestanden in der Soda- und Seltzerfabrik Seckler & Margarethen nicht weit von der Auffahrt zur Brooklyn Bridge. Ich habe dort Kessel und Geschirre verschiedener Größe aus rostfreiem Stahl angefertigt, die der alte Seckler, der ein Brünner Jude gewesen ist (was es mit Margarethen auf sich hatte, habe ich nie in Erfahrung gebracht), größtenteils als catering equipment an Schwarzbrennereien verkaufte, denen es weniger auf den verlangten Preis ankam als auf eine möglichst diskrete Abwicklung des Geschäfts. Den Verkauf dieser Stahlwaren und sonstiger für das Destillieren wichtiger Geräte bezeichnete Seckler, der ganz offensichtlich noch während meiner Vorstellung einen Narren an mir gefressen hatte, als einen Nebenerwerbszweig, der aus dem Stamm oder Grundstock der Soda- und Seltzerfabrik von selber und ganz gewiß ohne sein Zutun ausgeschlagen war.

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