Donnerstag, 2. Juni 2011

Kommentar Kreiselphilosophie

Sieht man ab von einigen Seitenblicken auf Wittgenstein, tritt, mit gutem Grund, wie anzunehmen ist, in Sebalds erzählerischem Werk eine offiziell dem Berufsstand der Philosophen zuzurechnende Person nicht auf, es sei denn, man will Thomas Browne zur Gilde zählen. Sein Studium der Medizin wäre kein Hinderungsgrund, gibt doch die Betrachtung des lebenden und des toten Organismus zu den verschiedensten Überlegungen Anlaß, und gern haben sich Mediziner immer wieder in die höheren geistigen Bereiche und auch in die Dichtkunst begeben, man denke nur an Pio Baroja, Gottfried Benn oder Dr. Schiwago. Kafka beobachtet mit scharfem Blick einen Nebenzweig der philosophischen Betätigungsfeldes, den Spielzeugkreisel. Der Philosoph glaubt, die Erkenntnis jeder Kleinigkeit, also zum Beispiel auch eines sich drehenden Kreisels, genüge zur Erkenntnis des Allgemeinen. Aber der Kreisel nährt diese Hoffnung nur, solange er sich dreht wie rasend. Hält der Philosoph aber dann das den Kindern entwendete, zur Ruhe gekommene dumme Holzstück zur sorgfältigen philosophischen Betrachtung in der Hand, wird ihm übel, und das Geschrei und Gelächter der Kinder das er bisher nicht gehört hatte und das ihm jetzt plötzlich in die Ohren fährt, jagen ihn fort. Philosophen haben notorische Schwierigkeiten mit dem Lärmen und Lachen von Kindern und einfachen Menschen, Blumenberg ist dem am Beispiel der thrakischen Magd nachgegangen.
Kreiselphilosophie

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