Freitag, 3. Juni 2011

Kurier des Czaren

Aus dem Schattenreich
Kommentar
Der Kurier des Czaren übernachtete in einem kleinen Steppendorf, er lag bereits im einzigen Raum der Hütte, um ihn herum schlief die Familie des Bauern, in einer Ecke waren einige Ziegen zusammen gedrängt, sie waren unruhiger als die Menschen, darum war schon eine der Ziegen aufgestanden, hatte eine Wanderung durch die Stube gemacht und an den Menschen geschnuppert. Der Kurier schlief kaum, während seiner Reisen schlief er gewöhnlich gar nicht, nur wenn die Lage völlig sicher schien, schloß er die Augen, schlief sofort ein, behielt sich aber so in der Gewalt, daß ihn Geräusche nicht erst wecken mußten, sondern daß er sie im Schlaf mit dem Gehör geradezu aufspürte und jedenfalls duldete er keinen Schlaf, der über eine Viertelstunde dauerte, sondern rüttelte sich dann selbst auf. Draußen erwartete ihn schon ein mit vier Falben bespannter, sonst aber sehr kleiner, beinahe einem Spielzeug gleichender Schlitten. Acht Fahrstunden sind es noch bis zum Ziel. Eingepackt in einem ihn bis an die Fußspitzen reichenden Mantel aus Bärenfell und eine enorme, mit Ohrenklappen versehene Pelzmütze nimmt er Platz. Mit sicherem Instinkt fand der junge, vielleicht sechszehnjährige Kutscher den Weg durch die endlosen, schneebedeckten Felder. Man hatte ihn nie auf die Schule geschickt und nicht damit gerechnet, ihn je zu etwas gebrauchen zu können, bis sich zeigte, daß die Pferde ihm folgten wie keinem anderen. Nie war der Kurier besser gefahren als in die sich bald schon wieder um ihn her ausbreitende Dämmerung hinein. Er sah die Sonne über die Ebene sich senken. Eine große, rote Scheibe, senkte sie sich in den Schnee, als ginge sie unter über dem Meer. Geschwind fuhr der Schlitten in die nun einbrechende Dunkelheit hinein, in die unermeßliche, an den Sternenhimmel angrenzende weiße Wüste, in der wie Schatteninseln die von Bäumen umstandenen Dörfer trieben.

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