Montag, 20. Juni 2011

Schwarzwasser

Aus dem Schattenreich
Kommentar
Es war immer wieder verwunderlich, wie er gegen Ende eines Arbeitstages aus den wenigen der Vernichtung entgangenen Linien und Schatten ein Bildnis von großer Unmittelbarkeit zusammenbrachte, und noch weitaus verwunderlicher war, daß er dieses Bildnis unfehlbar am nächsten Morgen, sobald er einen ersten Blick darauf geworfen hatte, wieder auslöschte, um aus dem durch die fortgesetzten Zerstörungen bereits stark beeinträchtigten Hintergrund von neuem die verborgenen und für ihn, wie er sagte, letztlich unbegreiflichen Züge des Bildes herauszugraben. Alles aber wurde übertroffen von der mit geringen Unterbrechungen über nahezu ein Jahr sich hinziehenden Arbeit an der Barke des Jägers Gracchus, das er für eines seiner verfehltesten Werke halte, weil es, seines Erachtens, keinen auch annähernd nur zureichenden Begriff gebe von der Seltsamkeit der Erscheinung, auf die es sich beziehe. Ein schwerer alter Kahn, verhältnismäßig niedrig und sehr ausgebaucht, verunreinigt, wie mit Schwarzwasser ganz und gar übergossen, noch troff es scheinbar die gelbliche Außenwand hinab, die Masten unverständlich hoch, der Hauptmast im obern Drittel geknickt, faltige, rauhe, gelbbraune Segeltücher zwischen den Hölzern kreuz und quer gezogen, Flickarbeit, keinem Windstoß gewachsen. Alle Angaben zur Ausführung des Bildes, die Farben und die Linien, sind vorhanden, und doch bleibt das Geheimnis dieses Kahns tief in der Sprache verborgen. Denn vom Verschwiegenen sprechen die Dichter und nicht von dem, was sie sagen.

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