Das gesamte Aktenmaterial ist in der Zwischenzeit wahrscheinlich längst von den Mäusen zerfressen worden, die von der Narrenburg nach ihrer Auflassung Besitz ergriffen und sich seither dort drinnen bis ins Ungeahnte vermehrt haben. Jedenfalls höre ich in den windstillen Nächten ein ständiges Huschen und Rascheln durch das ausgetrocknete Gehäuse gehen, und bisweilen, wenn der volle Mond hinter den Bäumen heraufkommt, erhebt sich auch, wie mich dünkt, ein aus Tausenden von winzigen Kehlen gepreßter pathetischer Gesang. Eine besonders begnadete Mäusesolistin des Gesangs glaube ich herauszuhören, ich habe sie Josephine genannt. Dem Mäusevolk gilt heute meine Hoffnung, und sie gilt den Holzbohrern, den Klopfkäfern und Totenuhren, die das ächzend an einigen Stellen schon nachgebende Schloß über kurz oder lang zum Einsturz bringen werden. Es wird mit unendlicher Langsamkeit geschehen, und eine große gelbliche Wolke wird aufsteigen und verwehen, und an der Stelle des ehemaligen Schlosses bleibt nichts als ein Häufchen puderfeines, blütenstaubähnliches Holzmehl. Heute ist noch nicht der Tag. Es ist ein Regentag, ich liege im Bett und das laue Klopfen des Regens auf das Dach ist so, als gienge es gegen die eigene Brust. Auf der Kante des vorspringenden Daches erscheinen die Tropfen mechanisch wie Lichter, die eine Straßenzeile entlang angezündet werden. Dann fallen sie. Wie ein wildes Tier jagt plötzlich ein Greis über die Wiese und nimmt ein Regenbad. Nachts schlagen die Tropfen an , als säße man in einem Violinkasten. Am Morgen dann das Laufen, die weiche Erde unter sich.
Donnerstag, 24. November 2011
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