Freitag, 2. September 2011

Kommentar Reading Room

Beim Gang durch die Gassen von Ajaccio wird Selysses vom Wunsch erfaßt, er möge in einer dieser steinernen Burgen wohnen, bis an sein Lebensende mit nichts beschäftigt als dem Studium der vergangenen und der vergehenden Zeit, eine Sehnsucht, die naturgemäß nicht Wirklichkeit werden kann. Im englischen Lesesaal für Seeleute findet sich annähernder Ersatz, wenn man annimmt, von den genannten Beschäftigungsformen sei es die liebste, einfach hinausschauen auf die stürmische, über die Promenade hineinbrechende See, um so das leere Verstreichen der Zeit zu verspüren. Hilfreich ist, daß die Population, für die der Lesesaal ursprünglich eingerichtet wurde, also die der Seeleute, eine verschwindende Spezies ist, die das ersehnte Verschwinden der Menschheit von unserem Planeten mithin beispielhaft vorwegnimmt. Die wenigen noch verbleibenden Fahrensleute unterscheiden sich nicht merklich von den Dingen. Stoßen die Menschen, wenn im Hinterzimmer eine Partie Pool gespielt wird die Kugeln, oder setzen die Kugeln das Queue und den es haltenden Arm in Bewegung. Während Selysses noch die zeitlose Stimmung des Reading Rooms goutiert, wendet sich Kafka, dem Allgemeinen wie immer wenig zugetan, einem bestimmten Tag zu. Er träumt auch nicht den Traum vom Verdämmern und langsamen Verschwinden der Menschheit, zumindest die alte Dame, die er, ob nun zu Recht oder zu Unrecht, für eine Kapitänswitwe hält, wird scharf ins Licht gerückt. Allerdings bleiben mehr Fragen als Erkenntnisse, wie kann sie Regen und Schwüle verwechseln, und was hat es mit den Karten auf sich. Offenbar handelt es sich, beidseitig bedruckt wie sie sind, nicht um Karteikarten, die sie mit Exzerpten füllt, auch scheinen es sich kein Spielkarten zu sein, die sie, Anweisungen des Buches folgend, nach Art einer Patience auslegt. Der schwarzgekleidete Mann, der im Guardian liest, ist wohl kein schlichter Matrosen oder Fischer, näheres über ihn erfährt man nicht.
Sailors’ Reading Room

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