Aus dem Schattenreich
Kommentar
In Rovereto steigt eine alte Tirolerin ein mit einer aus Lederflecken zusammengenähten Einkaufstasche. Sie ist in Begleitung ihres vielleicht vierzigjährigen Sohnes. Über die Maßen dankbar bin ich den beiden, als sie, obschon der Waggon ganz leer ist, sich hereinsetzen zu mir. Hin und wieder ergreift den Sohn ein Krampf in seiner Brust. Die Mutter macht ihm dann zur Beruhigung einige Zeichen in die Fläche seiner linken, wie ein unbeschriebenes Blatt offen in ihrem Schoß liegenden Hand. Nach und nach wird es mir besser. Wir sind in Bozen. Die Tirolerin steigt aus mit ihrem Sohn. Noch an der selben Station, also in Bozen, nimmt ein italienisches Ehepaar ihren Platz ein und nur wenig später mischt es sich mit einem andern. Ein Ehemann läßt sich nur küssen und gibt beim Hinausschauen aus dem Fenster nur seine Schulter für ihre Wange her. Als er in der Hitze den Rock auszieht und die Augen schließt, scheint sie ihn genauer anzusehn. Hübsch ist sie nicht, sie hat nur dünnes Lockenhaar um das Gesicht. Die andere aber mit dem Schleier, von dessen blauen Tupfen einer öfters ein Auge verdeckt, deren Nase zu bald abgeschnitten scheint, deren Falten um den Mund jugendliche Falten sind, für die Zwecke ihrer jugendlichen Lebhaftigkeit. Ihre Augen fahren, wenn sie das Gesicht senkt, hin und her, wie ich das bei uns nur bei Leuten mit Augengläsern gesehen habe.
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