Samstag, 17. September 2011

Tiroler Weiber

Aus dem Schattenreich
Kommentar

Bisweilen hielt der Bus und ließ eines der alten Weiber einsteigen, die in gewissen Abständen unter ihren schwarzen Regendächern an der Straße standen. Es kam auf diese Weise eine ganze Anzahl solcher Tiroler Weiber zusammen. Sie unterhielten sich in ihrem mir aus der Kindheit vertrauten, hinten im Hals wie eine Vogelsprache artikulierten Dialekt, ähnlich wie die Dohlen, vornehmlich, ja ausschließlich, wie es zunächst schien über den nicht mehr enden wollenden Regen. Die Unterhaltung gewann dann aber doch an Weite und Diversität, ein kameradschaftlicher Verkehr alter Frauen im Bus. Erzählungen von alten Frauen, die von Automobilen überfahren wurden. Ihre Mittel auf der Reise: niemals Sauce essen, das Fleisch herausnehmen, die Augen während der Fahrt geschlossen halten dabei aber reden, aber dabei reden, zum Obst Brot essen, kein hartes Kalbfleisch, Herren bitten, einen über die Gassen hinüber zu führen, Kirschen sind das schwerste Obst, die Rettung der alten Frau. Die Sonne trat hervor, die Tirolerinnen verstummten eine nach der andern. Gegen Mittag - die Tirolerinnen waren längst alle in Reutte, in Weißenbach, in Haller, Tannheim und Schattwald ausgestiegen – erreichte der Bus mit mir als letztem Fahrgast das Zollamt von Oberjoch.

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