Montag, 5. September 2011

Kommentar Tag und Nacht

Zu sagen, Sebald Bücher seien kaum weniger von Tieren als von Menschen bevölkert, wäre, nimmt man die schiere Zahl der auftauchenden Motten, Heringe und Seidenwürmer, eine mörderische Untertreibung. Am liebsten sind ihm die Geschöpfe, die, dem Menschen weder nützlich noch schädlich, ein von ihm weitgehend unbeachtetes Leben führen wie etwa die Nachtfalter. Insgeheim beschäftigen müssen sie uns aber doch, wie sonst wären ihre wunderschönen, vom Menschen ihnen zugeteilten Namen zu erklären, Porzellan- und Pergamentspinner, spanische Fahnen und schwarzen Ordensbänder, Messing- und Ypsiloneulen, Wolfsmilch- und Fledermausschwärmer. Es wird Tag, Selysses ruht und Kafka, obwohl nicht unbedingt als Tagmensch bekannt, übernimmt die Beobachtung der Bienen. Zunächst notiert er aus der Attitüde des Entomologen, lenkt dann aber den vergleichenden Blick auf den Menschen: Ob es Menschen gibt, die so mit dem ganzen Leib arbeiten möchten? Tänzer und andere im Bereich der darstellenden Kunst Tätige, könnte man antworten. Sebald greift erneut ein und ergänzt den Individual- durch den Sozialvergleich, der Bienenkorb als Symbol der Kapitalakkumulation. Ungeklärt bleibt, in welcher Sozialformation, der der Bienen oder der der Menschen, es dunkler zugeht.
Bei Tag und bei Nacht

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