Freitag, 25. März 2011

Einig Volk

Aus dem Schattenreich
Kommentar

Als ich am nächsten Morgen das Hotel verließ, war die Stadt, unter einem wolkenlosen Himmel, wieder zum Leben erwacht. Vorbei an den Hafenbecken, in denen Dutzende von ausgedienten und arbeitslosen Kuttern vertäut lagen, ging ich nach Süden zu durch die untertags ständig vom Autoverkehr und von blauem Benzindampf erfüllten Straßen der Stadt, bis ich endlich, schon außerhalb der Hafengegend, wieder auf den Fluß stieß. Eine Weile spazierte ich unter den Bäumen die Uferpromenade entlang, bis ich unversehens auf eine größere Menschenansammlung traf. Es war eine politische Versammlung. Merkwürdig ist, daß die meisten Versammlungen auf dem Platz der Ställe stattfinden, am Ufer des Flusses, gegen den die menschliche Stimme kaum aufkommt. Trotzdem ich auf der Quaibrücke nahe die den Rednern saß – sie sprachen von einem kahlen viereckigen Sockel aus Quadersteinen herab – verstand ich nur wenig. Freilich wußte ich im voraus, um was es sich handelte und alle wußten es. Auch waren alle einig, eine vollständigere Einigkeit habe ich nie gesehn, auch ich war völlig ihrer Meinung, die Sache war allzu klar, wie oft schon durchgesprochen und immer noch klar wie am ersten Tag, beides, die Einigkeit und die Klarheit waren herzbeklemmend, die Denkkraft stockte vor Einigkeit und Klarheit, man hätte manchmal nur den Fluß hören wollen und sonst gar nichts.

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