Kommentar
Es ist ein kleiner Laden, aber es ist viel Leben darin, von der Gasse her hat er keinen Eingang, man muß durch den Flur gehn, einen kleinen Hof überqueren, erst dann kommt man an die des Geschäftes, über der eine Tafel mit dem Namen der Ladeninhaberin hängt. Ottilie Tschotka ist ein alleinstehendes Fräulein von einer beängstigend zierlichen Statur. Sie trägt stets ein schwarzseidenes plissiertes Überkleid mit einem abnehmbaren Kragen aus weißer Spitze und bewegt sich in einer kleinen Wolke aus Maiglöckchenduft. Es ist ein Wäschegeschäft, es wird dort fertige Wäsche verkauft, aber mehr noch unverarbeitetes Leinen. In einem Winkel ist eine Spezialabteilung für Handschuhe untergebracht, Ottilie Tschotkas ursprüngliches Metier, sie hatte zunächst ein kleines Handschuhgeschäft geführt, das gleich einem geweihten Haus oder einem Tempel erfüllt gewesen war von einer gedämpften, alle profanen Gedanken bannenden Atmosphäre. Für einen Uneingeweihten, der zum erstenmal in den neuen, erweiterten Laden kommt, ist es völlig unglaublich, wie viel Wäsche und Leinen verkauft wird oder richtiger, da man ja einen Überblick über das Ergebnis des Handels nicht bekommt, in welchem Umfang und mit welchem Eifer gehandelt wird. Wie gesagt, gibt es keinen direkten Ladeneingang von der Gasse, aber nicht nur das, auch vom Hof sieht man keinen Kunden kommen und doch ist der Laden voll von Menschen und immerfort neue sieht man und die alten verschwinden, man weiß nicht wohin. Es gibt zwar auch breite Wandregale, in der Hauptsache aber sind die Regale rings um die Pfeiler angebracht, die das vielfache klein zerteilte Gewölbe tragen. Infolge dieser Anordnung weiß man von keiner Stelle aus genau, wie viele Leute im Laden sind, immer wieder kommen um die Pfeiler herum neue hervor, und das Nicken der Köpfe, die lebhaften Handbewegungen, das Trippeln der Füße im Gedränge, das Rauschen der zur Auswahl ausgebreiteten Ware, die endlosen Verhandlungen und Streitigkeiten, in welche sich, auch wenn sie nur einen Verkäufer und einen Kunden betreffen, immer der ganze Laden einzumischen scheint – dies alles vergrößert das Getriebe über die Wirklichkeit hinaus. In einer Ecke ist ein Holzverschlag, breit, aber nicht höher als daß sitzende Menschen in ihm Platz haben, das ist das Komptoir. Die Bretterwände sind offenbar sehr stark, die Tür ist winzig, Fenster anzubringen hat man vermieden, nur ein Guckfenster ist da, ist aber innen und außen verhängt – trotzalldem aber ist es erstaunlich, daß in diesem Komptoir jemand bei dem Lärm draußen Ruhe zu schriftlichen Arbeiten findet. Ottilie Tschotka scheint von all dem völlig unberührt. Wenn sie nicht gerade, was selten genug vorkam, eine ihrer, wie sie immer sagte, verehrten Kundinnen bediente, war sie ohne Unterlaß damit beschäftigt, in der Handschuhecke im Sortiment aus Hunderten, wenn nicht Tausenden der verschiedensten Handschuhpaare, zu dem solche aus Baumwollgarn für den Alltagsgebrauch ebenso gehörten wie die vornehmsten Pariser und Mailänder Kreationen aus Samt oder sämischen Leder, die von ihr geschaffene und über alle Wechselfälle der Geschichte hin aufrechterhaltene und nur von ihr allein wirklich verstandene Handschuhordnung und Hierarchie aufrechtzuerhalten. Um sie herum tost das ihr in der Tiefe ihres Herzens fremde Handels- und Rechnungswesen. Manchmal wird die innen an der Tür zum Komptoir hängende dunkle Portiere zurückgeschlagen, dann sieht man dort türausfüllend einen kleinen Kontorgehilfen stehn, die Feder hinterm Ohr, die Hand über den Augen, und neugierig oder auftragsgemäß den Wirrwarr im Laden betrachten. Es dauert aber nicht lange, schon schlüpft er zurück und läßt die Portiere derart schnell hinter sich niederfallen, daß man such nicht den kleinsten Blick ins Innere des Komptoirs erhascht. Eine gewisse Verbindung besteht zwischen dem Komptoir und der Ladenkasse. Diese letztere ist knapp bei der Ladentür angebracht und wird von einem jungen Mädchen verwaltet. Sie hat nicht so viel Arbeit, als es zuerst scheinen könnte. Nicht alle Leute zahlen bar, ja es zahlen die wenigsten so, es gibt offenbar noch andere Möglichkeiten der Verrechnung.
Es ist ein kleiner Laden, aber es ist viel Leben darin, von der Gasse her hat er keinen Eingang, man muß durch den Flur gehn, einen kleinen Hof überqueren, erst dann kommt man an die des Geschäftes, über der eine Tafel mit dem Namen der Ladeninhaberin hängt. Ottilie Tschotka ist ein alleinstehendes Fräulein von einer beängstigend zierlichen Statur. Sie trägt stets ein schwarzseidenes plissiertes Überkleid mit einem abnehmbaren Kragen aus weißer Spitze und bewegt sich in einer kleinen Wolke aus Maiglöckchenduft. Es ist ein Wäschegeschäft, es wird dort fertige Wäsche verkauft, aber mehr noch unverarbeitetes Leinen. In einem Winkel ist eine Spezialabteilung für Handschuhe untergebracht, Ottilie Tschotkas ursprüngliches Metier, sie hatte zunächst ein kleines Handschuhgeschäft geführt, das gleich einem geweihten Haus oder einem Tempel erfüllt gewesen war von einer gedämpften, alle profanen Gedanken bannenden Atmosphäre. Für einen Uneingeweihten, der zum erstenmal in den neuen, erweiterten Laden kommt, ist es völlig unglaublich, wie viel Wäsche und Leinen verkauft wird oder richtiger, da man ja einen Überblick über das Ergebnis des Handels nicht bekommt, in welchem Umfang und mit welchem Eifer gehandelt wird. Wie gesagt, gibt es keinen direkten Ladeneingang von der Gasse, aber nicht nur das, auch vom Hof sieht man keinen Kunden kommen und doch ist der Laden voll von Menschen und immerfort neue sieht man und die alten verschwinden, man weiß nicht wohin. Es gibt zwar auch breite Wandregale, in der Hauptsache aber sind die Regale rings um die Pfeiler angebracht, die das vielfache klein zerteilte Gewölbe tragen. Infolge dieser Anordnung weiß man von keiner Stelle aus genau, wie viele Leute im Laden sind, immer wieder kommen um die Pfeiler herum neue hervor, und das Nicken der Köpfe, die lebhaften Handbewegungen, das Trippeln der Füße im Gedränge, das Rauschen der zur Auswahl ausgebreiteten Ware, die endlosen Verhandlungen und Streitigkeiten, in welche sich, auch wenn sie nur einen Verkäufer und einen Kunden betreffen, immer der ganze Laden einzumischen scheint – dies alles vergrößert das Getriebe über die Wirklichkeit hinaus. In einer Ecke ist ein Holzverschlag, breit, aber nicht höher als daß sitzende Menschen in ihm Platz haben, das ist das Komptoir. Die Bretterwände sind offenbar sehr stark, die Tür ist winzig, Fenster anzubringen hat man vermieden, nur ein Guckfenster ist da, ist aber innen und außen verhängt – trotzalldem aber ist es erstaunlich, daß in diesem Komptoir jemand bei dem Lärm draußen Ruhe zu schriftlichen Arbeiten findet. Ottilie Tschotka scheint von all dem völlig unberührt. Wenn sie nicht gerade, was selten genug vorkam, eine ihrer, wie sie immer sagte, verehrten Kundinnen bediente, war sie ohne Unterlaß damit beschäftigt, in der Handschuhecke im Sortiment aus Hunderten, wenn nicht Tausenden der verschiedensten Handschuhpaare, zu dem solche aus Baumwollgarn für den Alltagsgebrauch ebenso gehörten wie die vornehmsten Pariser und Mailänder Kreationen aus Samt oder sämischen Leder, die von ihr geschaffene und über alle Wechselfälle der Geschichte hin aufrechterhaltene und nur von ihr allein wirklich verstandene Handschuhordnung und Hierarchie aufrechtzuerhalten. Um sie herum tost das ihr in der Tiefe ihres Herzens fremde Handels- und Rechnungswesen. Manchmal wird die innen an der Tür zum Komptoir hängende dunkle Portiere zurückgeschlagen, dann sieht man dort türausfüllend einen kleinen Kontorgehilfen stehn, die Feder hinterm Ohr, die Hand über den Augen, und neugierig oder auftragsgemäß den Wirrwarr im Laden betrachten. Es dauert aber nicht lange, schon schlüpft er zurück und läßt die Portiere derart schnell hinter sich niederfallen, daß man such nicht den kleinsten Blick ins Innere des Komptoirs erhascht. Eine gewisse Verbindung besteht zwischen dem Komptoir und der Ladenkasse. Diese letztere ist knapp bei der Ladentür angebracht und wird von einem jungen Mädchen verwaltet. Sie hat nicht so viel Arbeit, als es zuerst scheinen könnte. Nicht alle Leute zahlen bar, ja es zahlen die wenigsten so, es gibt offenbar noch andere Möglichkeiten der Verrechnung.
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