Montag, 14. März 2011

Wagenbauanstalt

Aus dem Schattenreich
Kommentar

Es ist mein alter Heimatort und ich bin wieder in ihn zurückgekehrt. Von den Bemerkungen meiner Mitbewohner lasse ich mich in keiner Weise aus dem Konzept bringen. Ganz im Gegenteil habe ich mich in meiner Eingezogenheit in zunehmenden Maße wohlgefühlt. Unter den von mir im Grunde verachteten Dorfbewohnern gehe ich umher, unfehlbar in einem schwarzen Kleid oder einem schwarzen Mantel und stets unter der Bedeckung eines Hutes und nie, auch beim schönsten Wetter nicht, ohne Regendach. Ich bin wohlhabend und ich habe ein Haus mit Aussicht auf den Fluß. Es ist ein altes zweistöckiges Haus mit zwei großen Höfen. Ich habe eine Wagenbauanstalt geerbt, um die ich mich selbst nicht kümmere, und in beiden Höfen wird den ganzen Tag gesägt und gehämmert. Aber in den Wohnzimmern, die an der Vorderseite des Hauses liegen, ist davon nichts zu hören, dort ist tiefe Stille und der kleine Platz vor dem Hause, der rings geschlossen ist und nur nach dem Fluß sich öffnet, ist immer leer. In diesen Wohnzimmern, großen parkettierten von Vorhängen ein wenig verdunkelten Zimmern, stehen alte Möbel, in einen wattierten Morgenmantel eingewickelt gehe ich gern zwischen ihnen umher. In einem Regal, zu dem es mich unfehlbar hinzieht, lehnen, in sich zusammengesunken, der einige hundert Bände umfassenden Bibliothek. Neben Literarischen vornehmlich aus dem letzten Jahrhundert, neben Reiseberichten aus dem hohen Norden, neben Lehrbüchern der Geometrie und der Baustatik und neben einem türkischen Lexikon samt kleinem Briefsteller gibt es da zahlreiche religiöse Werke spekulativen Charakters, Gebetbücher aus dem 17. und frühen 18. Jahrhundert mit zum Teil drastischen Abschilderungen der uns alle erwartenden Pein. Gemischt mit den geistigen Schriften finden sich mehrere Traktate von Bakunin, Bebel, Eisner, Landauer sowie der autobiographische Roman der Lily von Braun.

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