Sonntag, 19. Dezember 2010

Kommentar Marie schläft

In Sebalds Gesamtwerk treffen wir wohl nur einmal auf einen Mann, der am Bett einer schlafenden Frau sitzt. Jacques Austerlitz ist erwacht mit einem abgründigen Gefühl der Zerstörung, und hat sich, ohne Marie auch nur ansehen zu können, wie ein Seekranker aufrichten und an den Bettrand setzen müssen. Näheres über seine innere Zerrissenheit erfahren wir von Kafka. Soll er Marie wecken oder nicht? Daß er nicht aufsetzen kann den Fuß auf die brennende Türschwelle ihres Hauses, daß er nicht den Weg kennt zu ihrem Hause, daß er nicht die Richtung kenne, in welcher der Weg liegt – das ist naturgemäß nicht räumlich-realistisch, sondern seelisch-metaphorisch zu verstehen. Zu einer Entscheidung kommt es nicht. Er tritt ans Fenster und schaut gegen die Anhöhe hinauf die großen Hotelpaläste. Irgendwann dachte er, hat er einen Fehler gemacht und ist jetzt in einer falschen Welt. Die richtige gibt es nicht.

Marie schläft

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