Mittwoch, 8. Dezember 2010

An der Schwelle

Aus dem Schattenreich
Kommentar
Er hat gelesen und gelesen, und zwar in erster Linie Schriftsteller, die sich das Leben genommen hatten oder nahe daran waren, es zu tun. Hunderte von Seiten hat er exzerpiert, großenteils in der Gabelsberger Kurzschrift, weil es sonst nicht geschwind genug gegangen wäre, und immer wieder stößt man auf Selbstmordgeschichten. Er stand auf und trat zum Balkon, aber es war kein Balkon, nur statt des Fensters eine Tür, die hier im dritten Stockwerk unmittelbar ins Freie führte. Sie war jetzt offen an dem Frühlingsabend. Er ging in seinen Exzerpten lesend im Zimmer auf und ab; kam er zur Fenstertür, strich er immer mit der Sohle draußen über ihre Schwelle, so wie man flüchtig mit der Zunge an etwas Süßem leckt, das man sich für spätere Zeiten zurückgelegt hat.

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