Mittwoch, 10. November 2010

Die Kartenspieler

Aus dem Schattenreich
Kommentar
Der Bau diese singulären architektonischen Monstrosität war überstürzt in Angriff genommen worden, was zur Folge hatte, daß es in diesem mehr als siebenhunderttausend Kubikmeter umfassenden Gebäude Korridoren und Treppen gibt, die nirgendwo hinführen, türlose Räumen und Hallen, die von nie jemand zu betreten sind, Gänge, die einmal links- und dann wieder rechts herum, und endlos geradeaus, unter vielen Türstöcken hindurch, über knarrende, provisorisch wirkende Holzstiegen, die hie und da von den Hauptgängen abzweigen und um einen Halbstock hinauf- oder herabführen in dunkle Sackgassen, an deren Ende Rolladenschränke, Stehpulte, Schreibtische, Bürosessel und sonstige Einrichtungsgegenstände übereinandergetürmt stehen, als habe jemand in einer Art Belagerungszustand ausharren müssen. Im Verlaufe der Jahre sind auch immer wieder einmal in irgendwelchen leerstehenden Kammern und abgelegenen Korridoren kleine Geschäfte entstanden, etwa ein Tabakhandel, ein Getränkeausschank oder ein Wettbüro mit einem Raum für Glücksspiele verschiedener Art. Ich kam durch einen Nebeneingang auf das Gelände, ängstlich, ich wußte nicht, wie es sich verhält, ich war klein und schwach, ich sah sorgenvoll an meinem Anzug hinab, er war recht finster, über einen gewissen leeren Umkreis sah man nicht hinaus, der Boden war mit Gras bedeckt, ich bekam Zweifel, ob ich am richtigen Ort war; wäre ich durch den Haupteingang gekommen, wäre kein Zweifel möglich gewesen, aber ich war durch einen Nebeneingang gekommen; vielleicht wäre es gut, zurückzugehen und die Überschrift über der Tür anzusehen, aber ich glaubte mich zu erinnern, daß dort gar keine Überschrift gewesen war. Da sah ich in der Ferne einen matten silbrigen Schein, das gab mir Vertrauen, ich ging in dieser Richtung. Es war ein Tisch, in der Mitte stand eine Kerze, ringsum saßen drei Kartenspieler. Bin ich hier richtig angekommen? fragte ich, ich wollte zu den drei Kartenspielern. Das sind wir, sagte der eine, ohne von den Karten aufzublicken.

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