Aus dem Schattenreich
Kommentar
Es ist Isabella, der Apfelschimmel, das alte Pferd, ich hätte sie in der Menge nicht erkannt, sie ist eine Dame geworden, wir trafen einander letzthin in einem Garten bei einem Wohltätigkeitsfest. Es ist dort eine kleine, abseits liegende Baumgruppe, die einen kühlen beschatteten Wiesenplatz einschließt, mehrere schmale Wege durchziehen ihn, es ist zuzeiten sehr angenehm, dort zu sein. Ich kenne den Garten von früher her und als ich des Festes müde war, bog ich in jene Baumgruppe ein. Kaum trete ich unter die Bäume, sehe ich von der andern Seite eine Dame von mächtigem Format mir entgegenkommen, starke abfallende Schultern und eine geradezu furchteinflößende Büste von Ausmaßen, wie man sie später nur noch einmal und zwar an der Trafikantin in Fellinis Film Amarcord gesehen hat; abgesehen davon aber wies ihre ganze Erscheinung eine verblüffende Ähnlichkeit mit dem Herzog von Wellington auf. Ihre Größe machte mich fast bestürzt, es war niemand sonst in der Nähe, mit dem ich sie hätte vergleichen können, aber ich war überzeugt, daß ich keine Frau kannte, welche dieser nicht um mehrere Kopflängen – im ersten Staunen dachte ich gar um unzählige – nachstehen müßte. Aber als ich näher kam, war ich bald beruhigt. Isabella, die alte Freundin! Wie bist du denn aus deinem Stall entwichen? Ach, es war nicht schwer, ich werde ja eigentlich nur gnadenweise noch gehalten, meine Zeiten sind vorüber; erkläre ich meinem Herrn, daß ich, statt unnütz im Stall zu stehn, nun auch noch ein wenig die Welt kennenlernen will, solange die Kräfte reichen, erkläre ich das meinem Herrn, versteht er mich, sucht einige Kleider der Seligen aus, hilft mir noch beim Anziehn und entläßt mich mit guten Wünschen. Wie schön du bist! sage ich, nicht ganz ehrlich, nicht ganz lügnerisch. In ihrer jetzigen Wohnung stehen und sitzen überall eine Unzahl von Puppen herum, sorgsam herausgeputzt und meistens mit Kopfbedeckung, sie liegen auch auf dem Bett, in dem sie schläft, wenn sie überhaupt schläft und nicht nur die ganze Nacht leise singend mit den Puppen spielt. Es dauerte eine gewisse Zeit, bis sich die Nachbarn einigermaßen an sie gewöhnt hatten, denn bisweilen dringt aus ihrer Wohnung bis in den ersten Stock hinauf ohne jeden äußeren Anlaß ein seltsam wieherndes Lachen oder auch lachendes Wiehern und geht tatsächlich durch Mark und Bein. Insgeheim träumt das alte Mädchen von einer Verehelichung mit dem Dr. Bucephalus, in dessen Äußerem nur noch wenig erinnert an die Zeit, da er Streitroß Alexanders von Macedonien war. Jetzt ist er als Advokat tätig. Tag und Nacht ist er in die Gesetzesbücher zu versenkt. Frei, unbedrückt die Seiten von den Lenden des Reiters, bei stiller Lampe, fern von dem Getöse der Aleksanderschlacht, liest und wendet er die Blätter unserer alten Bücher.
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Es ist Isabella, der Apfelschimmel, das alte Pferd, ich hätte sie in der Menge nicht erkannt, sie ist eine Dame geworden, wir trafen einander letzthin in einem Garten bei einem Wohltätigkeitsfest. Es ist dort eine kleine, abseits liegende Baumgruppe, die einen kühlen beschatteten Wiesenplatz einschließt, mehrere schmale Wege durchziehen ihn, es ist zuzeiten sehr angenehm, dort zu sein. Ich kenne den Garten von früher her und als ich des Festes müde war, bog ich in jene Baumgruppe ein. Kaum trete ich unter die Bäume, sehe ich von der andern Seite eine Dame von mächtigem Format mir entgegenkommen, starke abfallende Schultern und eine geradezu furchteinflößende Büste von Ausmaßen, wie man sie später nur noch einmal und zwar an der Trafikantin in Fellinis Film Amarcord gesehen hat; abgesehen davon aber wies ihre ganze Erscheinung eine verblüffende Ähnlichkeit mit dem Herzog von Wellington auf. Ihre Größe machte mich fast bestürzt, es war niemand sonst in der Nähe, mit dem ich sie hätte vergleichen können, aber ich war überzeugt, daß ich keine Frau kannte, welche dieser nicht um mehrere Kopflängen – im ersten Staunen dachte ich gar um unzählige – nachstehen müßte. Aber als ich näher kam, war ich bald beruhigt. Isabella, die alte Freundin! Wie bist du denn aus deinem Stall entwichen? Ach, es war nicht schwer, ich werde ja eigentlich nur gnadenweise noch gehalten, meine Zeiten sind vorüber; erkläre ich meinem Herrn, daß ich, statt unnütz im Stall zu stehn, nun auch noch ein wenig die Welt kennenlernen will, solange die Kräfte reichen, erkläre ich das meinem Herrn, versteht er mich, sucht einige Kleider der Seligen aus, hilft mir noch beim Anziehn und entläßt mich mit guten Wünschen. Wie schön du bist! sage ich, nicht ganz ehrlich, nicht ganz lügnerisch. In ihrer jetzigen Wohnung stehen und sitzen überall eine Unzahl von Puppen herum, sorgsam herausgeputzt und meistens mit Kopfbedeckung, sie liegen auch auf dem Bett, in dem sie schläft, wenn sie überhaupt schläft und nicht nur die ganze Nacht leise singend mit den Puppen spielt. Es dauerte eine gewisse Zeit, bis sich die Nachbarn einigermaßen an sie gewöhnt hatten, denn bisweilen dringt aus ihrer Wohnung bis in den ersten Stock hinauf ohne jeden äußeren Anlaß ein seltsam wieherndes Lachen oder auch lachendes Wiehern und geht tatsächlich durch Mark und Bein. Insgeheim träumt das alte Mädchen von einer Verehelichung mit dem Dr. Bucephalus, in dessen Äußerem nur noch wenig erinnert an die Zeit, da er Streitroß Alexanders von Macedonien war. Jetzt ist er als Advokat tätig. Tag und Nacht ist er in die Gesetzesbücher zu versenkt. Frei, unbedrückt die Seiten von den Lenden des Reiters, bei stiller Lampe, fern von dem Getöse der Aleksanderschlacht, liest und wendet er die Blätter unserer alten Bücher.
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