Mittwoch, 3. November 2010

Wieder an Land

Aus dem Schattenreich
Kommentar

Die beiden Segel waren im Westwind gebläht, und wir setzten den Kurs so, daß unser Boot die Gezeitenströmung durchschnitt. Bald sahen wir in der dämmrigen Ferne die Barriere der Felsen, zuoberst gesäumt von dem schmalen Band der dunklen Wiesen und Wälder, doch dann dauerte es noch eine ganze Weile, bis die Strahlen der Sonne quer durch die leichten Wellen gingen. Wir legten an. Ich stieg ans Land, es war ein kleiner Hafen, ein kleiner Ort. Einige Leute lungerten auf den Marmorfliesen umher, ich sprach sie an, verstand aber nicht ihre Rede. Es war wohl ein italienischer Dialekt. Ich rief meinen Steuermann herüber, er versteht italienisch, aber die Leute hier verstand auch er nicht, er stellte in Abrede, daß es Italienisch sei. Doch bekümmerte mich das alles ernstlich nicht, mein einziges Verlangen war, mich einmal von der unendlichen Seefahrt ein wenig auszuruhn und dazu taugte dieser Ort so gut wie ein anderer. Ich ging noch einmal auf das Schiff, um die nötigen Anordnungen zu geben. Alle Leute sollten vorläufig an Bord bleiben, nur der Steuermann sollte mich begleiten, allzulange war ich des festen Bodens entwöhnt und neben der Sehnsucht nach ihm beherrschte mich auch eine gewisse, nicht abzuschüttelnde Angst vor ihm. Bis in den Abend beschäftigten mich diese Gefühle und Gedanken. Wir waren zurückgekehrt von unserem Ausflug und ich schaute noch einmal hinaus auf das Meer. Als meine Augen sich an das sanfte Zweilicht gewöhnten, konnte ich das Schiff sehen, das aus der Mitte des Sonnenfeuers hervorgekommen war und jetzt auf den Hafen zuhielt, so langsam, das man meinte, es bewege sich nicht. Es war eine weiße Yacht, die nicht die geringste Spur auf dem reglosen Wasser hinterließ. Knapp war sie an der Grenze zum Stillstand und rückte doch so unaufhaltsam vor wie der große Zeiger der Uhr. Das Schiff fuhr, sozusagen, entlang der Linie, die das, was wir wahrnehmen können, trennt von dem, was noch keiner gesehen hat. Vielleicht eine Stunde lag das Schiff hell leuchtend in der Finsternis, als warte sein Kapitän auf die Erlaubnis, einlaufen zu dürfen in den hinter Felsen verborgenen Hafen. Dann, als die Sterne schon über den Bergen hervortraten, drehte es ab und fuhr so langsam, wie es gekommen war, wieder davon.

Keine Kommentare: