Sonntag, 7. November 2010

Wanderzirkus

Aus dem Schattenreich
Kommentar
In einem der leeren Höfe, unweit des Bahnhofsgeländes, hatte ein Wanderzirkus sein kleines, vielfach geflicktes und von orangeroten Glühbirnen umkränztes Zelt aufgeschlagen. Wir betraten es, ohne daß wir uns darüber verständigt hätten, gerade als die Vorstellung beginnen sollte. Ein paar Dutzend Frauen und Kinder saßen auf niedrigen Stühlchen um die Manege herum, das heißt, eine Manege ist es eigentlich gar nicht gewesen, sondern nur ein von den ersten Zuschauerreihen eingefaßtes Rondell, so eng, daß kaum ein Pferdchen hätte im Kreis traben können. Und doch, wenn der Ankündigung zu trauen ist, so wird im Zirkus heute eine große Pantomime, eine Wasserpantomime gespielt, die Manege wird unter Wasser gesetzt werden, Poseidon wird mit seinem Gefolge durch das Wasser jagen, das Schiff des Odysseus wird erscheinen und die Sirenen werden singen, dann wird Venus nackt aus den Fluten steigen, womit der Übergang zur Darstellung des Lebens in einem modernen Familienbad gegeben sein wird. Der Direktor, ein weißhaariger alter Herr, aber noch immer der straffe Zirkusreiter, verspricht sich vom Erfolg dieser Pantomime sehr viel. Ein Erfolg ist auch höchst notwendig, das letzte Jahr war sehr schlecht, einige verfehlte Reisen haben große Verluste gebracht. Nun ist man hier im Städtchen.

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