Freitag, 5. November 2010

Der Bootsmann

Aus dem Schattenreich
Kommentar

Die Freunde standen am Ufer. Der Mann, der mich zum Schiff rudern sollte, hob meinen Koffer, um ihn ins Boot zu tragen. Ich kannte den Mann seit vielen Jahren, immer ging er tief gebückt, irgendein Leiden verkrümmte so den sonst riesenhaft starken Mann. Er ging so stark vornübergebeugt, daß er mit Sicherheit nicht imstande war, von seinem Gegenüber mehr als die Beine oder den Unterleib wahrzunehmen. Aufgrund seiner Behinderung wohl hatte er, bereits vor ich mich anschickte, das Boot zu besteigen, den späten Fahrgast von unten herauf mit einem kurzen aber um so durchdringenderen Blick ins Auge gefaßt. Auf dem Schiff dann, das er zu meiner nicht geringen Verwunderung ohne erkennbare Mühe erklommen hatte, begleitete er mich bis zu der wunderbaren Mahagonistiege. Man hatte auf ihr gar nicht das Gefühl des Treppenaufgehens, sondern schwebte gewissermaßen hinan zum Oberdeck, wo man mir eine geräumige, zum offenen Meer hin gelegene Kabine anwies. Ich stellte nur meine Tasche ab und ging gleich wieder hinaus an Deck, um den Freunden Lebwohl zuzuwinken. Der Bootsmann in seinem Ruderkahn hatte, wie ich sogleich sah, bereits die Rückfahrt angetreten. Vielleicht eine Stunde lag das Schiff noch still leuchtend in der einbrechenden Finsternis, dann wurden die Leinen gelöst, das Schiff legte ab und fuhr langsam davon. Die Freunde hatten schon nicht mehr warten können.

Keine Kommentare: