Freitag, 12. November 2010

Autobiographie

Aus dem Schattenreich
Kommentar


Den Kopf gegen die Wand gelehnt und ab und zu langsam durchatmend, wenn die Übelkeit in mir aufstieg, hatte ich einige Zeit schon die Arbeiter in den Goldminen der City beobachtet, die sich zu dieser frühen Abendstunde hier, an ihrem gewohnten Trinkplatz, einfanden, alle einander ähnlich, in ihren nachtblauen Anzügen, gestreiften Hemdbrüsten und grellfarbenen Krawatten, und indem ich versuchte, die rätselhaften Gewohnheiten dieser in keinem Bestiarium beschriebenen Tierart zu begreifen, ihr enges Beieinanderstehen, ihr halb geselliges, halb aggressives Gehabe, das Freigeben der Gurgel beim Leeren der Gläser, das immer aufgeregter werdende Stimmengewirr, das plötzliche Davonstürzen des einen oder anderen, da bemerkte ich auf einmal, am Rande der schon schwankenden Horde, einen vereinzelten Menschen, der niemand anders sein konnte als der seit bald zwanzig Jahren, wie mir in diesem Augenblick zu Bewußtsein kam, von mir vermißte K. Ohne Auch nur ein Wort zu verlieren über unser nach solch langer Zeit rein zufällig erfolgtes Zusammentreffen hat er, ohne mit irgendwelchen Präliminarien sich aufzuhalten, das Gespräch mehr oder weniger dort wieder aufgenommen, wo es einst abgebrochen war. Das Schreiben versagt sich mir, so K. Daher Plan der selbstbiographischen Untersuchungen. Nicht Biographie, sondern Untersuchung und Auffindung möglichst kleiner Bestandteile. Daraus will ich mich dann aufbauen, so wie einer, dessen Haus unsicher ist, daneben ein sicheres aufbauen will, womöglich aus dem Material des alten. Schlimm ist es allerdings, wenn mitten im Bau seine Kraft aufhört und er jetzt statt eines zwar unsichern aber doch vollständigen Hauses, ein halbzerstörtes und ein halbfertiges hat, also nichts. Was folgt ist Irrsinn, also etwa ein Kosakentanz zwischen den zwei Häusern, wobei der Kosak mit den Stiefelabsätzen die Erde so lange scharrt und auswirft, bis sich unter ihm sein Grab bildet.

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