Montag, 8. November 2010

Le Prisonnier

Aus dem Schattenreich
Kommentar
Am Morgen des 26. Juli tritt der Ermittlungsbeamte in sein Zimmer. Er wird aufgefordert, ohne Verzug sich zu erheben, alles was er an Geschriebenen von sich selbst und anderen hat, auszuhändigen, sich anzukleiden und dem Ermittlungsbeamten zu folgen. Das Wort Tribunal lähmte ihn vollkommen und ließ ihm nur die körperliche Freiheit, die für den Gehorsam nötig ist. Mechanisch machte er Toilette, legte sein bestes Hemd und den eben erst fertig gewordenen neuen Rock an, als solle es auf eine Hochzeit gehen. Das Gefängnis selbst, in das er gebracht wird, mißt vier Meter auf vier Meter. Es enthält kein einziges Möbelstück. In die Wand ist, Tisch und Bett zugleich, eine einen Fuß breite Planke eingelassen. Es war keine Gefängniszelle im üblichen Sinn, denn die vierte Wand war völlig frei. Die Vorstellung allerdings, daß auch diese Wand vermauert sein oder werden könnte, war entsetzlich, denn dann war er bei dem Ausmaß des Raumes, der nur wenig höher als er selbst, in einem aufrechten steinernen Sarg. Nur vorläufig war sie nicht vermauert, er konnte die Hände frei hinausstrecken und, wenn er sich an einer eisernen Klammer festhielt, die oben in der Decke stak, konnte er auch den Kopf vorsichtig hinausbeugen, vorsichtig allerdings, denn er wußte nicht, in welcher Höhe über dem Erdboden sich seine Zelle befand. Sie schien sehr hoch zu liegen, auf dem Dachboden eines verfallenen Palastes vielleicht, wenigstens sah er in der Tiefe nichts als grauen Dunst, wie auch übrigens rechts und links und in der Ferne, nur nach der Höhe hin schien er sich ein wenig zu lichten. Es war eine Aussicht, wie man sie an einem trüben Tag auf einem Turm haben könnte. Er war müde und setzte sich vorn am Rand nieder, die Füße ließ er hinunterbaumeln. Ärgerlich war es, daß er, ohne verstehen können warum und wieso, ganz nackt war, sonst hätte er Kleider und Wäsche aneinandergeknotet, oben an der Klammer befestigt und sich außen ein großes Stück unter seine Zelle hinablassen und vielleicht manches auskundschaften können. Andererseits war es gut, daß er es nicht tun konnte, denn er hätte es wohl in seiner Unruhe getan, aber es hätte sehr schlecht ausgehn können. Besser nichts haben und nichts tun. In der Zelle, die sonst ganz leer war und kahle Mauern hatte, waren hinten zwei Löcher im Boden. Das Loch in der einen Ecke schien für die Notdurft bestimmt, vor dem Loch in der anderen Ecke lag ein Stück Brot und ein zugeschraubtes kleines Holzfäßchen mit Wasser, dort also wurde die Nahrung hereingesteckt.

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