Im Ständetheater hatte sie im Herbst ihren ersten Auftritt in der Rolle der Olympia, von der sie seit Beginn ihrer Laufbahn schon träumte. Mitte Oktober, als die Operette fertig einstudiert war, ging ich in die Generalprobe und bin im Parkett genau unter dem Zenit der Kuppel gesessen. Rings um mich stiegen die Ränge, deren goldener Zierat durch das Dämmer blinkte, in die Höhe hinauf. Erst nach einer gewissen Zeit, als irgend jemand hinter dem zugezogenen Vorhang geschwind über die Bühne gehuscht war und durch sein eiliges Laufen eine Wellenbewegung in den schweren Stoffballen ausgelöst hatte, begannen sich die Schatten zu regen und ich sah drunten im Orchestergraben den befrackten, käferartigen Dirigenten und andere schwarze Figuren, die mit allerlei Instrumenten hantierten, hörte ihr Durcheinanderspielen beim Stimmen und glaubte auf einmal, zwischen dem Kopf eines der Musikanten und dem Hals eines Baßgeige hindurch, in dem hellen Lichtstreif zwischen dem Bretterboden und dem Saum des Vorhangs ihren himmelblauen, mit Silberfutter bestickten Schuh zu erblicken. Es war schon spät in der Nacht, als ich den Wagen, der sie aus der anderen Welt zurückbrachte, vor der Haustür anhalten hörte. Endlich trat sie ins Zimmer und setzte sich zu mir nieder, umhüllt von einem seltsamen, aus verwehten Parfum und Staub gemischten Theatergeruch. Von der Theaterprofession dürfe ich mir wirklich keine idyllischen Vorstellungen machen, sagte sie. Das ist ein Leben zwischen Kulissen. Es ist hell, das ist ein Morgen im Freien, dann wird gleich dunkel und es ist schon Abend. Das ist kein komplizierter Betrug, aber man muß sich fügen, solange man auf den Brettern steht. Nur ausbrechen darf man, wenn man die Kraft hat, gegen den Hintergrund zu, die Leinwand durchschneiden und zwischen den Fetzen des gemalten Himmels durch, über einiges Gerumpel hinweg in die wirkliche enge dunkle feuchte Gasse sich flüchten, die zwar noch immer wegen der Nähe des Theaters Theatergasse heißt, aber wahr ist und alle Tiefen der Wahrheit hat.
Dienstag, 9. November 2010
Die Schauspielerin
Aus dem Schattenreich
Im Ständetheater hatte sie im Herbst ihren ersten Auftritt in der Rolle der Olympia, von der sie seit Beginn ihrer Laufbahn schon träumte. Mitte Oktober, als die Operette fertig einstudiert war, ging ich in die Generalprobe und bin im Parkett genau unter dem Zenit der Kuppel gesessen. Rings um mich stiegen die Ränge, deren goldener Zierat durch das Dämmer blinkte, in die Höhe hinauf. Erst nach einer gewissen Zeit, als irgend jemand hinter dem zugezogenen Vorhang geschwind über die Bühne gehuscht war und durch sein eiliges Laufen eine Wellenbewegung in den schweren Stoffballen ausgelöst hatte, begannen sich die Schatten zu regen und ich sah drunten im Orchestergraben den befrackten, käferartigen Dirigenten und andere schwarze Figuren, die mit allerlei Instrumenten hantierten, hörte ihr Durcheinanderspielen beim Stimmen und glaubte auf einmal, zwischen dem Kopf eines der Musikanten und dem Hals eines Baßgeige hindurch, in dem hellen Lichtstreif zwischen dem Bretterboden und dem Saum des Vorhangs ihren himmelblauen, mit Silberfutter bestickten Schuh zu erblicken. Es war schon spät in der Nacht, als ich den Wagen, der sie aus der anderen Welt zurückbrachte, vor der Haustür anhalten hörte. Endlich trat sie ins Zimmer und setzte sich zu mir nieder, umhüllt von einem seltsamen, aus verwehten Parfum und Staub gemischten Theatergeruch. Von der Theaterprofession dürfe ich mir wirklich keine idyllischen Vorstellungen machen, sagte sie. Das ist ein Leben zwischen Kulissen. Es ist hell, das ist ein Morgen im Freien, dann wird gleich dunkel und es ist schon Abend. Das ist kein komplizierter Betrug, aber man muß sich fügen, solange man auf den Brettern steht. Nur ausbrechen darf man, wenn man die Kraft hat, gegen den Hintergrund zu, die Leinwand durchschneiden und zwischen den Fetzen des gemalten Himmels durch, über einiges Gerumpel hinweg in die wirkliche enge dunkle feuchte Gasse sich flüchten, die zwar noch immer wegen der Nähe des Theaters Theatergasse heißt, aber wahr ist und alle Tiefen der Wahrheit hat.
Im Ständetheater hatte sie im Herbst ihren ersten Auftritt in der Rolle der Olympia, von der sie seit Beginn ihrer Laufbahn schon träumte. Mitte Oktober, als die Operette fertig einstudiert war, ging ich in die Generalprobe und bin im Parkett genau unter dem Zenit der Kuppel gesessen. Rings um mich stiegen die Ränge, deren goldener Zierat durch das Dämmer blinkte, in die Höhe hinauf. Erst nach einer gewissen Zeit, als irgend jemand hinter dem zugezogenen Vorhang geschwind über die Bühne gehuscht war und durch sein eiliges Laufen eine Wellenbewegung in den schweren Stoffballen ausgelöst hatte, begannen sich die Schatten zu regen und ich sah drunten im Orchestergraben den befrackten, käferartigen Dirigenten und andere schwarze Figuren, die mit allerlei Instrumenten hantierten, hörte ihr Durcheinanderspielen beim Stimmen und glaubte auf einmal, zwischen dem Kopf eines der Musikanten und dem Hals eines Baßgeige hindurch, in dem hellen Lichtstreif zwischen dem Bretterboden und dem Saum des Vorhangs ihren himmelblauen, mit Silberfutter bestickten Schuh zu erblicken. Es war schon spät in der Nacht, als ich den Wagen, der sie aus der anderen Welt zurückbrachte, vor der Haustür anhalten hörte. Endlich trat sie ins Zimmer und setzte sich zu mir nieder, umhüllt von einem seltsamen, aus verwehten Parfum und Staub gemischten Theatergeruch. Von der Theaterprofession dürfe ich mir wirklich keine idyllischen Vorstellungen machen, sagte sie. Das ist ein Leben zwischen Kulissen. Es ist hell, das ist ein Morgen im Freien, dann wird gleich dunkel und es ist schon Abend. Das ist kein komplizierter Betrug, aber man muß sich fügen, solange man auf den Brettern steht. Nur ausbrechen darf man, wenn man die Kraft hat, gegen den Hintergrund zu, die Leinwand durchschneiden und zwischen den Fetzen des gemalten Himmels durch, über einiges Gerumpel hinweg in die wirkliche enge dunkle feuchte Gasse sich flüchten, die zwar noch immer wegen der Nähe des Theaters Theatergasse heißt, aber wahr ist und alle Tiefen der Wahrheit hat.
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