Donnerstag, 24. Februar 2011

Kommentar Korridore

Bei seiner Schilderung des Brüsseler Justizpalastes hat Sebald es offenbar darauf angelegt, die Assoziation kafkaesk hervorzurufen, das Kafkaeske unterliegt bei ihm aber beträchtlichen Wandlungen. Der Barke des Gracchus hat er bereits den Wind aus dem Segel genommen und als Tattoo auf dem Oberarm des Jägers Hans Schlag untergebracht. Kafkas bevorzugte Bewegungsform ist die des rasenden Stillstands, der Bote rennt los, öffnete sich freies Feld, so würde er fliegen, statt dessen müht er sich nur nutzlos ab; der Wagen des Landarztes wird fortgerissen wie Holz in der Strömung und verfängt sich doch umgehend in der dunklen Watte der Nacht; der Angeklagte wird vom Dichter auf der Suche nach einem Fürsprecher treppauf treppab über die Flure und Stockwerke des Justizpalastes gehetzt. Austerlitz durchwandert den Palast gemächlich als eine von den Menschen verlassene Monstrosität, die Korridore verlaufen sich in schadlose Skurrilitäten, ein Tabakhandel, ein Wettbüro, ein Getränkeausschank, eine privat betriebene Herrentoilette im Souterrain mit einem Tischchen und einem Zahlteller in ihrem Vorraum.
Korridore

Keine Kommentare: