Aus dem Schattenteich
Kommentar
Es hatte damit angefangen, daß er die Wagnerei mehr und mehr vernachlässigte, Aufträge zwar noch annahm, aber nur zur Hälfte oder gar nicht mehr ausführte, und das er sich darauf verlegte, komplizierte pseudoarchitektonische Pläne zu machen, wie beispielsweise den eines über die Ach gebauten Wasserhauses oder den der Waldkanzel, die, abgestützt durch eine Wendeltreppenkonstruktion, die den Wipfel eines der höchsten Tannen des Pfarrwaldes umgeben und von der aus der Pfarrer alljährlich zu einem bestimmten Tag eine Ansprache an den Wald halten sollte. Die meisten dieser leider verschollenen Pläne, von denen er Bogen um Bogen entwarf, sind von ihm ernstlich nie in Angriff genommen worden. Verwirklicht wurde einzig das von ihm so genannte Salettl, das in den Dachstuhl seines Hauses eingebaut war, und zwar derart, daß etwa einen Meter unter dem First ein Holzboden eingezogen wurde, auf welchem dann, nach Entfernung der Dachziegel, durch den First hindurch und über ihn hinaus ein Holzrahmengerüst für ein rundum verglastes Observatorium aufgesetzt werden konnte. Von dieser Warte aus sah man über die Dächer des Ortes bis weit ins Moos und in die Felder und bis zu dem aus dem Talgrund aufsteigenden Waldschatten der Berge. Wenn er sein holzbearbeitendes Metier auch nicht mehr ausübte, so sprach er doch gern von ihm in einer seelenkundigen, mystisch drängenden Weise. Dabei konnte es sich etwa um das folgende handeln. Er saß einmal, nach seinen eigenen Worten, vor vielen Jahren, gewiß traurig genug, auf der Lehne des Laurenziberges. Er prüfte die Wünsche, die er für das Leben hatte. Als wichtigster oder als reizvollster ergab sich der Wunsch, eine Ansicht des Lebens zu gewinnen und – das war allerdings notwendig verbunden – die anderen von ihr überzeugen zu können, eine Ansicht, in der das Leben zwar sein natürliches schweres Fallen und Steigen bewahre aber gleichzeitig mit nicht minderer Deutlichkeit als ein Nichts, als ein Traum, als ein Schweben erkannt werde. Vielleicht ein schöner Wunsch, wenn er ihn richtig gewünscht hätte. Etwa als Wunsch, einen Tisch mit peinlich ordentlicher Handwerksmäßigkeit zusammenzuhämmern und dabei gleichzeitig nichts zu tun und zwar nicht so, daß man sagen könnte: ihm ist das Hämmern ein Nichts, sondern: ihm ist das Hämmern ein wirkliches Hämmern und gleichzeitig auch ein Nichts -, wodurch ja das Hämmern noch kühner, noch entschlossener, noch wirklicher und wenn Du willst noch irrsinniger geworden wäre. Aber er konnte gar nicht so wünschen, denn sein Wunsch war kein Wunsch, er war nur eine Verteidigung, eine Verbürgerlichung des Nichts, ein Hauch von Munterkeit, den er dem Nichts geben wollte, in das er zwar damals kaum die ersten bewußten Schritte tat, das er aber schon als sein Element fühlte. Es war bereits damals eine Art Abschied, den er von der Scheinwelt der Jugend nahm; sie hatte ihn übrigens niemals unmittelbar getäuscht, sondern nur durch die Reden aller Autoritäten rings herum täuschen lassen. So hatte sich die Notwendigkeit des Wunsches ergeben.
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Es hatte damit angefangen, daß er die Wagnerei mehr und mehr vernachlässigte, Aufträge zwar noch annahm, aber nur zur Hälfte oder gar nicht mehr ausführte, und das er sich darauf verlegte, komplizierte pseudoarchitektonische Pläne zu machen, wie beispielsweise den eines über die Ach gebauten Wasserhauses oder den der Waldkanzel, die, abgestützt durch eine Wendeltreppenkonstruktion, die den Wipfel eines der höchsten Tannen des Pfarrwaldes umgeben und von der aus der Pfarrer alljährlich zu einem bestimmten Tag eine Ansprache an den Wald halten sollte. Die meisten dieser leider verschollenen Pläne, von denen er Bogen um Bogen entwarf, sind von ihm ernstlich nie in Angriff genommen worden. Verwirklicht wurde einzig das von ihm so genannte Salettl, das in den Dachstuhl seines Hauses eingebaut war, und zwar derart, daß etwa einen Meter unter dem First ein Holzboden eingezogen wurde, auf welchem dann, nach Entfernung der Dachziegel, durch den First hindurch und über ihn hinaus ein Holzrahmengerüst für ein rundum verglastes Observatorium aufgesetzt werden konnte. Von dieser Warte aus sah man über die Dächer des Ortes bis weit ins Moos und in die Felder und bis zu dem aus dem Talgrund aufsteigenden Waldschatten der Berge. Wenn er sein holzbearbeitendes Metier auch nicht mehr ausübte, so sprach er doch gern von ihm in einer seelenkundigen, mystisch drängenden Weise. Dabei konnte es sich etwa um das folgende handeln. Er saß einmal, nach seinen eigenen Worten, vor vielen Jahren, gewiß traurig genug, auf der Lehne des Laurenziberges. Er prüfte die Wünsche, die er für das Leben hatte. Als wichtigster oder als reizvollster ergab sich der Wunsch, eine Ansicht des Lebens zu gewinnen und – das war allerdings notwendig verbunden – die anderen von ihr überzeugen zu können, eine Ansicht, in der das Leben zwar sein natürliches schweres Fallen und Steigen bewahre aber gleichzeitig mit nicht minderer Deutlichkeit als ein Nichts, als ein Traum, als ein Schweben erkannt werde. Vielleicht ein schöner Wunsch, wenn er ihn richtig gewünscht hätte. Etwa als Wunsch, einen Tisch mit peinlich ordentlicher Handwerksmäßigkeit zusammenzuhämmern und dabei gleichzeitig nichts zu tun und zwar nicht so, daß man sagen könnte: ihm ist das Hämmern ein Nichts, sondern: ihm ist das Hämmern ein wirkliches Hämmern und gleichzeitig auch ein Nichts -, wodurch ja das Hämmern noch kühner, noch entschlossener, noch wirklicher und wenn Du willst noch irrsinniger geworden wäre. Aber er konnte gar nicht so wünschen, denn sein Wunsch war kein Wunsch, er war nur eine Verteidigung, eine Verbürgerlichung des Nichts, ein Hauch von Munterkeit, den er dem Nichts geben wollte, in das er zwar damals kaum die ersten bewußten Schritte tat, das er aber schon als sein Element fühlte. Es war bereits damals eine Art Abschied, den er von der Scheinwelt der Jugend nahm; sie hatte ihn übrigens niemals unmittelbar getäuscht, sondern nur durch die Reden aller Autoritäten rings herum täuschen lassen. So hatte sich die Notwendigkeit des Wunsches ergeben.
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