Freitag, 4. Februar 2011

Seebad

Aus dem Schattenreich
Kommentar

Es schien, als habe sich hier in unserem Seebad im Sommer 1913 die gesamte Welt versammelt. Man sah die Comtesse de Montgomery, die Comtesse Fitz James, die Baronne d’Erlanger und die Marquise de Massa, die Rothschild, die Deutsch de la Meurthe, die Peugeot, die Worms und die Hennessy und die Isvolkys und die Orlovs, Künstler und Künstlerinnen und die Demimondäne wie die Réjane und die Reichenberg, griechische Reeder, mexikanische Petroleummagnaten und Baumwollpflanzer aus Louisiana. In der Zeitung stand zu lesen, daß heuer eine regelrechte Welle des Exotismus über das Seebad hineingebrochen sei: des musulmans moldo-valaques, des brahmanes hindous et toutes variétés de Cafres, de Papous, die Niam-Niams et de Bachibouzouks importés en et leurs instruments sauvages. Rund um die Uhr war alles in Bewegung. Abends, bei den großen Diners, waren von der wie von einem leichten Seegang bewegten Menge der dinierenden Gäste nur die glitzernden Ohrringe und Halskettender Damen und die weißen Hemdbrüste der Herren zu sehen. Auch der König besuchte unser Seebad, machte aber keinen Aufwand. Wer ihn nicht von Bildern kannte, hätte ihn nie als König erkannt. Sein Anzug war schlecht genäht, nicht in unserer Werkstatt übrigens, ein dünner Stoff, der Rock immer aufgeknöpft, fliegend und zerdrückt, der Hut verbeult, grobe schwere Stiefel, nachlässig weite Bewegungen der Arme, ein starkes Gesicht mit großer grader männlicher Nase, ein kurzer Schurrbart, dunkle ein wenig zu scharfe Augen, kräftiger ebenmäßiger Hals. Einmal blieb er im Vorübergehn in der Tür unserer Werkstatt stehen und fragte, die Rechte oben am Türbalken: Ist Franz hier? Er kannte alle Leute bei Namen. Ich drängte mich aus meinem dunklen Winkel zwischen den Gesellen durch. Komm mit, sagte er nach kurzem Blick. Er übersiedelt ins Schloß, sagte er zum Meister.

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