Freitag, 4. Februar 2011

Kinder Israel

Aus dem Schattenreich
Kommentar
Sie riefen. Es war schön. Wir standen auf, die verschiedensten Leute, versammelten uns vor dem Haus. Die Straße war still, wie an jedem frühen Morgen. Ein Bäckerjunge setzte seinen Korb nieder und sah uns an. Alle kamen dicht hintereinander die Treppe herabgelaufen, die Bewohner aller sechs Stockwerke waren durcheinander gemischt, ich selbst half dem Kaufmann aus dem ersten Stock, den Überzieher anzuziehn, den er bislang hinter sich hergeschleift hatte. Dieser Kaufmann führte uns, das war richtig, er war am meisten von uns allen von der Welt durchgesiebt. Zunächst ordnete er uns zu einem Haufen, ermahnte die Unruhigsten zur Ruhe, den Hut des Bankbeamten, den dieser immerfort schwenkte, nahm er und warf ihn auf die andere Straßenseite, jedes Kind wurde von einem Erwachsenen an die Hand genommen. Wir Kinder Israel machten uns auf den Weg. Da ist nur noch ein undeutliches, gewissermaßen verwischtes Bild von der Stunde des Abschieds auf dem Bahnhof. Überraschend fieng der Zug langsam zu fahren an. Nicht alle waren im Zug, viele blieben zurück. Eine Frau bereitete ihr Taschentuch zum Winken vor und andere taten es ihr nach und nun war ein Flattern weißer Taschentücher zu sehen, gleich dem einer auffliegenden Taubenschar. Der Bankbeamte, der seinen Hut zurückgewonnen hatte, hob ihn, die anderen Männer taten es ihm nach, zuerst ungeschickt, dann je weiter der Zug war, desto freier. Später erinnerte man sich an den Eindruck, der Zug, nachdem er unendlich langsam angerückt war, fahre nicht eigentlich weg, sondern fahre nur, in einer Art Täuschungsmanöver, die kurze Bahnhofstrecke aus der überglasten Halle hinaus, um uns ein Schauspiel zu geben und versinke dann, noch nicht einmal in halber Ferne.

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