Dienstag, 1. Februar 2011

Tür zum Gang

Aus dem Schattenreich
Kommentar
Wir hielten vor dem Hotel Boston, einem ungut und schmalbrüstig aussehendem Haus. Ich stieg die paar Stufen zu dem seltsamen Hospiz hinauf und wartete drinnen in dem kaum beleuchteten Foyer, bis die Signora, ein fast völlig ausgetrocknetes Wesen von sechzig oder siebzig Jahren, aus dem Fernsehzimmer hervorgekommen war. Skeptisch hielt sie den Vogelblick auf mich gerichtet und rief ihren Mann, der auf den Namen Orlando hörte und nun ebenfalls aus dem Fernsehzimmer herauswankte, wo er, wie die Signora, in tiefem Dämmer versunken gesessen war. Eine ungeheuer lange Zeit schien es mir zu dauern, bis er den kleinen Vorraum durchquert und neben seiner Frau hinter dem hohen, den beiden nahezu bis zu den Schultern reichenden Rezeptionspult Aufstellung genommen hatte. Halb mitleidig, halb verächtlich wurde mir schließlich ein alter eiserner Schlüssel mit der Nummer 513 ausgehändigt. Das Zimmer war im obersten Stock, ein langer Gang, viel zu lang für das schmale Haus, führte, leicht abschüssig, wie mir vorkam, an den Zimmertüren vorbei, die in Abständen von kaum mehr als zwei Metern aufeinander folgten. Der Schlüssel drehte sich im Schloß. Ich zog die Jalousien hinauf und legte mich auf die mit einem blumengemusterten, damastartigen Fransentuch bedeckte Bettstatt Stunden, endlose Stunden verflossen, ohne daß ich zur Ruhe kommen konnte. Schon gegen Morgen erhob ich mich und stellte mich in das schräg in das Zimmer hineinragende Brausebecken. Als ich mich anzog, glaubte ich den ersten Schein wahrnehmen zu können und hörte den Schrei einer Amsel. Ich wollte die Tür zum Gang öffnen, aber sie widerstand. Ich blickte hinauf, hinunter, das Hindernis war nicht zu finden. Auch versperrt war die Tür nicht, der Schlüssel steckte innen, hätte man von außen zuzusperren versucht, wäre der Schlüssel herausgestoßen worden. Und wer hätte denn zusperren sollen? Ich stieß mit dem Knie gegen die Tür, das Mattglas erklang, aber die Tür blieb fest. Sieh nur. Ich ging ins Zimmer zurück, trat auf den Balkon und blickte auf die Straße hinab. Ich hatte aber das gewöhnliche Nachmittagsleben unten noch nicht mit seinen Gedanken erfaßt, als ich wieder zur Tür zurückkehrte und nochmals zu öffnen versuchte. Aber nun war es kein Versuch, die Tür öffnete sich sogleich, es bedurfte kaum eines Druckes, vor dem Luftzug, der vom Balkon her strich, flog sie geradezu auf; mühelos wie ein Kind, das man zum Scherz die Klinke berühren läßt, während ein Größerer sie in Wirklichkeit niederdrückt, erlangte ich den Eintritt in den Gang.

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