Dienstag, 1. Februar 2011

Kommentar Tür

So oft Selysses auf seinen Reisen und Wanderungen am Abend ein Hotel bezieht, so selten geht es glatt und geschmeidig vonstatten wie in der Goldenen Traube in Verona, wo er von der anscheinend eigens in der Halle sich einfindenden Geschäftsführerin des Hotels mit der ausgesuchtesten Zuvorkommendheit behandelt wird und ein ihm in jeder Hinsicht zusagendes Zimmer erhält. Üblicherweise warten auf ihn an der Rezeption alte und gebrechliche oder verkrüppelte, ihm gegenüber, wenn nicht feindlich so doch mißtrauische eingestellte Menschen, so auch hier in Mailand. Zimmer und Nachtruhe entsprechen der Qualität des Empfangs, und so wundert er sich kaum noch, wenn Kafka ihm am Morgen die Tür zum Gang versperrt hält. Als er aber, nachdem er auf dem Balkon seines Zimmers für eine Weile überlegt hat, was zu tun sei, bei einem zweiten Versuch mühelos wie ein Kind, das man zum Scherz die Klinke berühren läßt, während ein Größerer sie in Wirklichkeit niederdrückt, den Eintritt in den Gang erlangt, da ist es als habe alles Vorausliegende nur diesem einen Augenblick der Leichtigkeit gedient.

Kafka TB 1916
Tür zum Gang

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