Sonntag, 9. Januar 2011

Kommentar Leichengeruch

Wenn es noch eines Beweises bedürfte, daß die beiden Dichter jeder sprachlichen Aufgabe gewachsen sind - der eine, indem er die Dinge mit weicher Hand sanft einstreicht, der andere, indem auch noch das feinste Stäubchen behend zwischen die Fingerspitzen nimmt – wenn es also noch eines Beweises bedürfte, so würde er erbracht durch die Art, wie sie das Paradox meistern und mit traumhafter Sicherheit vom Versagen der Sprache berichten. Dem einen singen die Vokale wie Ausstellungsneger, dem anderen gelingt keine Wendung im Satz, die sich nicht als eine jämmerliche Krücke erweist. Sebald, verborgen in der Gestalt des Jacques Austerlitz, greift mit dem Zirkusartisten, der den Sturz in die Tiefe gewärtigt, eine Lieblingsfigur Kafkas auf, und der bedankt sich, indem er ihn auf der Place de l'Opéra tatsächlich zu Sturz und Beinbruch verhilft.
Kafka TB 1910

Leichengeruch

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