Montag, 17. Januar 2011

Helden

Aus dem Schattenreich
Kommentar
Es folgte eine kurze Phase der inneren Amerikanisierung seiner Person, während der ich streckenweise zu Pferd, streckenweise in einem dunkelbraunen Oldsmobile die Vereinigten Staaten in allen Himmelsrichtungen durchquerte, und die ihren Höhepunkt erreichte zwischen dem sechzehnten und siebzehnten Lebensjahr, als ich die Geistes- und Körperhaltung eines Hemingway-Helden an mir auszubilden versuchte. Im Spiegel sah ich mich daraufhin genau an und kam mir im Gesicht – allerdings nur bei Abendbeleuchtung und der Lichtquelle hinter mir, so daß eigentlich nur der Flaum an den Rändern der Ohren beleuchtet war – auch bei genauer Untersuchung besser und heldenhafter vor, als ich nach eigener Kenntnis war. Ein klares, übersichtlich gebildetes, fast schön begrenztes Gesicht. Das Schwarz der Haare, der Brauen und der Augenhöhlen drang wie Leben aus der übrigen abwartenden Masse. Der Blick ist gar nicht verwüstet, davon ist keine Spur, er ist aber auch nicht kindlich, eher unglaublicherweise energisch, aber vielleicht war er nur beobachtend, da ich mich eben beobachtete und mir Angst machen wollte. Ungeachtet des durchaus zufriedenstellenden Spiegelbildes blieb der Hemingway-Held ein Simulationsprojekt, das aus verschiedenen Gründen, die man sich denken kann, von vornherein zum Scheitern verurteilt war. In der Folge verflüchtigten sich diese amerikanischen Träume allmählich und machten, nachdem die Schwundstufe erreicht worden war, einer bald gegen alles Amerikanische gerichteten Abneigung Platz, die schon bald so tief in mir sich festsetzte, daß mir bald nichts absurder erschienen wäre als der Gedanke, ich könnte irgendwann einmal ungezwungenermaßen eine Reise nach Amerika unternehmen. Als noch absurder allerdings hätte ich die Prophezeiung zurückgewiesen, ich würde schon bald die Arbeit an einem großen Amerikaroman aufnehmen. Abgeschlossen wurde dieser Roman so wenig wie meine anderen Romane.

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