Samstag, 15. Januar 2011

Fischerdorf

Aus dem Schattenreich
Kommentar
Die Abenddämmerung verdunkelte schon zur Hälfte das Zimmer. Draußen aber hing noch die untergehende Sonne über dem Meer, und in dem gleißenden, in Wellen von ihr ausgehendem Licht stand zitternd die ganze von meinem Fenster aus sichtbare und in diesem Abschnitt weder von einer Straßentrasse noch von der kleinsten Ansiedlung entstellte Welt. Die im Verlauf von Jahrmillionen von Wind, Salznebel und Regen aus dem Granit geschliffenen, dreihundert Meter aus der Tiefe emporragenden monströsen Felsformationen leuchteten in feurigem Kupferrot, als stünde das Gestein selber in Flammen und glühe aus seinem Inneren heraus. Manchmal glaubte ich in dem Geflacker die Umrisse brennender Pflanzen und Tiere zu erkennen oder die eines zu einem großen Scheiterhaufen geschichteten Volks. Sogar das Wasser drunten schien in Flammen zu stehen und ebenso der kleine Hafen des Fischerdorfes, wo eine Barke zur Fahrt für den nächtlichen Fang ausgerüstet wurde. Ein junger Mann in Pluderhosen beaufsichtigte die Arbeiten. Zwei alte Matrosen trugen Säcke und Kisten bis zu einer Anlegebrücke, wo ein großer Mann mit auseinandergestemmten Beinen alles in Empfang nahm und irgendwelchen Händen überantwortete, die sich aus dem dunklen Innern der Barke ihm entgegenstreckten. Auf großen Quadersteinen, die einen Winkel des Quais umfaßten, saßen halb liegend fünf Männer und bliesen den Rauch ihrer Pfeifen nach allen Seiten. Von Zeit zu Zeit kam der Mann in Pluderhosen zu ihnen, hielt eine Ansprache und klopfte ihnen auf die Knie. Gewöhnlich wurde hinter einem Stein eine Weinkanne, die dort im Schatten aufbewahrt wurde, hervorgeholt und ein Glas mit undurchsichtigem rotem Wein wanderte von Mann zu Mann.

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