Donnerstag, 13. Januar 2011

Ankunft

Aus dem Schattenreich
Kommentar

The Enigma of Arrival
Der Aufzug war so schmal, daß ich nur mit knapper Not mit meinem Koffer hineinpaßte, und der Boden war so dünn, daß er schon unter dem Gewicht eines einzelnen Fahrgasts spürbar nachgab. Das Zimmer selbst hatte einen großblumigen Teppich und eine Veilchentapete und war möbliert mit einem Kleiderkasten, einem Waschtischchen und einer eisernen Bettstatt. Durch das Fenster sah man hinab auf allerhand halbverfallene Anbauten mit Schieferdächern und einem Hinterhof, in dem sich den ganzen Herbst hindurch die Ratten tummelten. Blickte man aber nicht in den Hof hinein, sondern über diesen hinweg, so sah man ein Stück jenseits eines schwarzen Kanals ein hundertfenstriges aufgelassenes Lagerhaus, in dem in der Nacht manchmal unstete Lichter umherhuschten. Der Tag meiner Ankunft war wie die meisten nachfolgenden Tage, Wochen und Monate bestimmt von einer bemerkenswerten Geräuschlosigkeit und Leere. Ermüdet von der durchwachten Reisenacht war ich bald eingeschlafen auf meinem eisernen Bett, das Gesicht in die leicht nach Veilchenseife duftende Decke vergraben. Sicher ist, so sagte ich mir am folgenden Morgen, daß ein Haupthindernis meines Fortschritts mein körperlicher Zustand bildet. Mit einem solchen Körper läßt sich nichts erreichen. Ich werde mich an sein fortwährendes Versagen gewöhnen müssen. Von der letzten wilddurchträumten, aber kaum weilchenweise durchschlafenen Nacht bin ich heute früh so ohne Zusammenhang gewesen, fühlte nichts anderes als meine Stirn, sah einen halbwegs erträglichen Zustand erst weit über dem gegenwärtigen und hätte mich einmal gerne vor lauter Todesbereitschaft auf den Zementplatten des Korridors zusammengerollt. Mein Körper ist zu lang für seine Schwäche, er hat nicht das geringste Fett zur Erzeugung einer segensreichen Wärme, zur Bewahrung inneren Feuers, kein Fett, von dem sich einmal der Geist über seine Tagesnotdurft hinaus ohne Schädigung des Ganzen nähren könnte. Wie soll das schwache Herz, das mich in der letzten Zeit öfters gestochen hat, das Blut über die ganze Länge dieser Beine hin stoßen können. Bis zum Knie wäre genug Arbeit, dann aber wird es nur noch mit Greisenkraft in die kalten Unterschenkel gespült. Nun ist es aber schon wieder oben nötig, man wartet darauf, während es sich unten verzettelt. Durch die Länge des Körpers ist alles auseinandergezogen. Was kann er da leisten, da er doch vielleicht, selbst wenn er zusammengedrängt wäre, zu wenig Kraft hätte für das, was ich erreichen will.

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