Donnerstag, 13. Januar 2011

Bibliomanie

Aus dem Schattenreich
Kommentar

Only once, in a library in Verona, ...

Ich habe begonnen, allmählich alles Zweifellose an mir zusammenzustellen, später das Glaubwürdige, dann das Mögliche usw. Zweifellos ist in mir die Gier nach Büchern. Erfreut über diese Klarstellung und zuversichtlich, als könne ich von nun an keinen Fuß mehr verkehrt setzen, ging ich gegen zehn durch die Gassen der Stadt und fand mich auch sogleich vor der Biblioteca Civica. Obzwar eine Notiz am Portal dem Publikum avisierte, daß die Bibliothek während der Ferialmonate geschlossen sei, stand die Eingangstür doch weit offen. Freilich lag drinnen alles in einem so tiefen Dämmer, daß ich mich zunächst nur tastend vorwärtsbewegen konnte. Auf einen Bibliotheksangestellten traf ich erst, nach dem ich bereits eine Anzahl der mir seltsam hoch vorkommenden Türklinken vergeblich probiert hatte, in dem von einem milden Morgenlicht durchfluteten Lesesaal. Es war ein alter Herr mit sorgfältig gestutzten Haupt- und Barthaar, der sogleich von seinem Schreibpult aufschaute und sich nach meinem Begehren erkundigte. Hier gilt es nun zu erläutern, daß meine Gier nach Büchern nicht eigentlich darauf zielt, sie zu besitzen oder zu lesen, als vielmehr sie zu sehn, mich in einer Bibliothek oder der Auslage eines Buchhändlers von ihrem Bestand zu überzeugen. Sind irgendwo mehrere Exemplare des gleichen Buches, freut mich jedes einzelne. Es ist, als ob diese Gier vom Magen ausginge, als wäre sie ein irregeleiteter Appetit. Bücher, die ich besitze, freuen mich weniger, dagegen Bücher meiner Schwestern freuen mich schon. Das Verlangen, sie zu besitzen, ist ein unvergleichlich kleineres, es fehlt fast. Weit weniger als die umschweifige Erklärung meiner Wünsche, die naturgemäß vorgeschoben war, dauerte die Herbeischaffung der auf gut Glück genannten Werke. So saß ich denn bald in der nähe eines Fensters und blätterte ohne darin zu lesen in den Folianten. Die meiste Zeit aber ließ ich meinen Blick nur an den lückenlos mit Büchern gefüllten Regalen entlanggleiten.

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