Sonntag, 16. Januar 2011

Zeltnergasse

Aus dem Schattenreich
Kommentar
Ich gehe absichtlich durch die Gassen, wo Dirnen sind. Das Vorübergehen an ihnen reizt mich, diese ferne, aber immerhin bestehende Möglichkeit, mit einer zu gehn. Ist das Gemeinheit? Ich weiß aber nichts Besseres, und das Ausführen dessen scheint mir im Grunde unschuldig und macht mir fast keine Reue. Ich will nur die dicken ältern, mit veralteten, aber gewissermaßen durch verschiedene Behänge üppigen Kleider. Eine Frau kennt mich wahrscheinlich schon, vielleicht nicht ganz vierzigjährig, blondgelockt, auch sonst irgendwie gewellt und loreleiartig wirkend. Ich traf sie heute nachmittag, sie war noch nicht in Berufskleidung, die Haare lagen noch am Kopf an, sie hatte keinen Hut, eine Arbeitsbluse wie Köchinnen, und trug irgendeinen Ballen, vielleicht zur Wäscherin. Kein Mensch hätte etwas Reizendes an ihr gefunden, nur ich. Wir sahen einander flüchtig an. Jetzt abends, es ist inzwischen kalt geworden, sah ich sie in einem anliegenden, gelblich braunen Mantel auf der andern Seite der engen, von der Zeltnergasse abzweigenden Gasse, wo sie ihre Promenade hat. Ich sah zweimal nach ihr zurück, sie faßte auch den Blick und erwiderte ihn mit einem geheimnisvollen Lächeln das ich als ein Zeichen auffaßte, ihr folgen zu dürfen, aber dann lief ich ihr eigentlich davon.

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