Freitag, 7. Januar 2011

Theater

Aus dem Schattenreich
Kommentar

Die Vorstellung war entsetzlich.
Sowie wir, was mich anbelangt völlig unvorbereitet, das Theater durch den Bühneneingang betraten, bin ich in ein ehrfürchtiges Schweigen verfallen, obwohl dieses Theater nur wenig Ehrfurchtgebietendes aufzuweisen hatte. Die Garderobe hinter der Bühne, um nur eins zu nennen, war so schmal, daß, wenn einer zufällig hinter dem Türvorhang der Szene vor dem Spiegel steht und ein zweiter an ihm vorbeikommen will, er jenen Vorhang heben und sich wider Willen einen Augenblick lang dem Publikum zeigen muß. Ich bin im Parkett unter dem Zenit der Kuppel gesessen. Rings um mich stiegen die Ränge, deren goldener Zierat durch das Dämmer blinkte, in die Höhe hinauf und ich habe mich gefragt, welches Schauspiel gegeben werden würde vor dieser furcherregenden Kulisse. Wegen des Hochgebirges im Hintergrund und der wüsten Waldlandschaft war an Wilhelm Tell zu denken oder die Sonnambula oder das letzte Stück von Ibsen. Nichts von dem traf zu. Stück und Aufführung waren trostlos. Im Gedächtnis bleibt mir aus dem ersten Akt der schöne Klang einer Kaminuhr; das Singen der Marseillaise einziehender Franzosen vor dem Fenster, immer wieder wird das verhallende Lied von den neu Herankommenden aufgenommen und steigt an; ein schwarzgekleidetes Mädchen zieht ihren Schatten durch den Lichtstreifen, den die untergehende Sonne auf das Parkett legt. Aus dem zweiten Akt bleibt nur der zarte Hals eines Mädchens, der aus rotbraungekleideten Schultern zwischen Puffärmeln zum kleinen Kopf sich dehnt und spannt. Aus dem dritten Akt der zerdrückte Kaiserrock, die dunkle Phantasieweste mit goldener quergezogener Uhrkette eines alten gebückten Nachkommens der früheren Gospodaren. Viel ist das also nicht.

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