Montag, 17. Januar 2011

Nächtlicher Besuch

Aus dem Schattenreich
Kommentar
Eine ganze Zeitlang habe ich in dem leeren Entree gestanden und bin durch die sogar mitten in der Saison – wenn von einer Saison in dieser Gegend überhaupt die Rede sein kann – völlig verlassenen Räume gewandert, ehe ich auf eine verschreckte junge Frau stieß, die mir nach einigem zwecklosen Herumsuchen im Register der Rezeption, einen mächtigen, an einer hölzernen Birne hängenden Zimmerschlüssel reichte. Es fiel mir auf, daß sie nach der Mode der dreißiger Jahre gekleidet war und daß sie es vermied, mich anzusehen. Immer war ihr Blick auf den Boden gesenkt oder ging durch einen hindurch, als sei man gar nicht vorhanden. Es war schon lange nach Mitternacht, als es an die Zimmertür leise klopfte. Ich mußte nicht geweckt werden, ich schlafe immer erst gegen Morgen ein, bis dahin aber pflege ich bäuchlings wach im Bett zu liegen, das Gesicht ins Kissen gedrückt, die Arme ausgestreckt und die Hände über dem Kopf verschlungen. Ich hatte das Klopfen gleich gehört. Wer ist es? fragte ich. Ein unverständliches Murmeln, leiser als das Klopfen, antwortete. Es ist offen, sagte ich und drehte das elektrische Licht auf. Ein kleines schwaches Frauenzimmer in einem großen Umhängetuch trat ein.

Keine Kommentare: