Samstag, 15. Januar 2011

Mit knapper Not

Aus dem Schattenreich
Kommentar
Mit ziemlicher Genauigkeit sehe ich den Saal im Norddeutschen Lloyd in Bremerhaven vor mir, in dem die zahlungskräftigen Passagiere auf die Einschiffung warteten. Besonders erinnere ich mich an die vielen verschiedenen Kopfbedeckungen der Passagiere und dazwischen die Uniformmützen des Personals der Reederei und der Zollbeamten. An den Wänden hingen große Ölgemälde der zur Flotte des Lloyd gehörenden Ozeandampfer. Ein jeder dieser Dampfer befand sich in voller Fahrt von links hinten nach rechts vorn, ragte ungeheuer weit mit dem Bug aus dem wogenden Meer empor und vermittelte den Eindruck unaufhaltsam alles vorantreibender Kraft. Über der Tür, durch die wir zuletzt hinaus mußten, war eine runde Uhr angebracht, mit römischen Ziffern, und über der Uhr stand mit verzierten Buchstaben geschrieben der Spruch Mein Feld ist die Welt. Ich beeilte sich auf das Schiff zu kommen, lief über die Landungsbrücke, kletterte auf ein Verdeck hinauf, setzte sich in einen Winkel, drückte die Hände gegen das Gesicht und kümmerte sich von jetzt an um niemanden mehr. Die Schiffsglocke läutete, Leute liefen vorüber, weit, als wäre es am andern Ende des Schiffes, sang einer aus voller Brust. Man wollte schon den Landungssteg zurückziehn, da kam ein kleiner schwarzer Wagen angefahren, der Kutscher schrie von weitem, das sich bäumende Pferd mußte mit aller Kraft gehalten werden, ein junger Mann sprang aus dem Wagen, küßte einen alten weißbärtigen Herrn, der sich unter dem Wagendach vorbeugte, und lief mit einem kleinen Handkoffer aufs Schiff, das sofort vom Lande abgestoßen wurde. 

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